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Wenn der Geist schwächer wird

Dr. Esther M. Rüegger, Referentin für Demenz-Kompetenz. (alle Fotos: J. Eschmann)
Johannes Eschmann, DT Switzerland

Johannes Eschmann, DT Switzerland

Mo. 21 Juni 2010

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BAAR – Demenzkranke behandeln erfordert Geschick und Empathie. Empfehlungen von Dr. Esther M. Rüegger an einem Seminar der Swiss Dental Hygienists.

Wir leben in einer kognitiven Welt. Wer seine kognitiven Fähigkeiten verliert, lebt in einer Welt der Erfolgslosigkeit: Demenz, heisst die Diagnose. Warum besuchten über 30 Dentalhygienikerinnen das ganztägige Seminar mit Dr. Esther M. Rüegger? Das hat seinen guten Grund, so Cornelia Jäggi-Künzi, Vizepräsidentin der Swiss Dental Hygienists, in ihrer Begrüssung: „Wir müssen lernen, mit dementen Patienten der verschiedenen Krankheitsstufen umzugehen, dazu sind wir möglicherweise auch Betroffene“. Einige der Teilnehmerinnen sind persönlich im Familien- oder Freundeskreis betroffen, andere behandeln in der Praxis und in Heimen Demenzkranke, andere wiederum sehen darin eine Kompetenzerweiterung als Angehörige eines Medizinalberufes.

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In der Schweiz leben fast 100’000 Demenzkranke, jährlich werden 22’000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Immerhin leben fast 60’000 Erkrankte, oft alleine, in ihren vier Wänden. Ein Stressfaktor, der für Angehörige kaum oder nicht ertragbar ist. 40’000 Demenzkranke werden in Heimen betreut. Das ist die Ausgangslage. Betroffen sind häufiger Frauen als Männer.

Multifaktorielle Ursachen
Was sind die Risikofaktoren, an Alzheimer zu erkranken? Da ist zuerst das Alter. Je älter wir werden, desto höher ist statistisch das Risiko, an dieser chronisch progredienten degenerativen Veränderung des Gehirns zu erkranken. Weitere Risikofaktoren sind genetischer Art, familiäre Belastung mit Demenz, Schädel-Hirn-Traumen, Morbus Parkinson, zerebrovaskuläre Störungen, Depression im höheren Lebensalter, Hypothyreose, Kiffen, zu viel Alkohol und ein niedriges Ausbildungsniveau.

Was kann man dagegen tun? Die ersten Anzeichen abklären lassen, da in 10 % der Fälle eine Heilung möglich und das Fortschreiten fast immer positiv beeinflussbar ist. Schutzfaktoren sind auch stetiges Lernen, ein gesunder Lebensstil und: Vergessen Sie Ihre Lebensfreude nicht. Geistig fit im biblischen Alter, das ist ein Geschenk des Lebens.

Zeigen Sie Empathie!
Dr. Rüegger verstand es hervorragend, ihre Zuhörerinnen für das Thema zu begeistern. Es wurden viele Fragen gestellt. Was helfen Medikamente, wo kann ich Abklärungen treffen lassen? In der Gruppenarbeit wurde auch diskutiert, wie Patienten in den drei Krankheitsphasen behandelt und betreut werden können. Worauf ist zu achten? In der ersten Phase, solange die Patienten noch gut ansprechbar sind, sollte die Zahnsanierung erfolgen, denn später wird diese immer schwieriger bis unmöglich. Dazu gehören auch die Prüfung der Sehkraft und die Anpassung eines Hörgerätes. Da die Aufnahmefähigkeit des Patienten eingeschränkt ist, sollten die Informationen dosiert werden.

In der zweiten Phase wird die Behandlung schwieriger, Termine einzuhalten fast unmöglich. Mit Reaktionen ist zu rechnen. Daher Sitzungen verkürzen, den Patienten im Wartezimmer abholen, Gehgeschwindigkeit anpassen, nie frontal auf den Menschen zugehen. Dies kann als Bedrohung aufgefasst werden und eine aggressive Gegenreaktion auslösen. Zuwendung zeigen – Empathie! Argumentieren Sie nie mit dem Kranken. Nehmen Sie ihn ernst und versuchen Sie, die Situation mit seinen Augen zu sehen. „Die aktivierende Grundhaltung heisst: Sich nicht ärgern, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern sich freuen, dass der Dornenstrauch Rosen trägt.“
In der dritten Phase ist eine Behandlung fast nur noch unter Narkose möglich.
Eine gute Mundgesundheit ist für diese Menschen Lebensqualität. Psychopharmaka führen zu Mundtrockenheit, motorische Störungen ergeben Probleme bei der Mundhygiene. Da gilt es für die betreuenden Personen an vieles zu denken.

Schlimm: „die Dinge nicht mehr im Griff zu haben“
Helfendes Verhalten hilft den Betroffenen mehr als man denkt. Demenzkranke spüren, dass etwas mit ihnen geschieht und sie viele Dinge „nicht mehr im Griff haben“. Das führt zu Angst, Wut, Trauer und/oder Auflehnung. Für die Bezugspersonen eine emotionale Aufgabe, die enorm ist. Darum ist es zu Beginn so wichtig, mit den eigenen Kräften zu haushalten und fremde Hilfe anzunehmen. Immer noch geben Angehörige dem gesellschaftlichen Druck nach und meinen, alles selbst machen zu können. Eine oft fatale Selbstüberschätzung. Liebe und Fürsorge bilden neben einer medikamentösen Therapie und psychologischen Verfahren sowie die Anpassung der äusseren Lebensumstände die Eckpfeiler einer Erfolg versprechenden Therapie.

In einem Film über das Spital Sonnweid in Wetzikon/ZH, welches als Vorzeigemodell für die Betreuung von Demenzkranken gilt, konnten die Teilnehmerinnen die verschiedenen Phasen der Demenzerkrankung und die jeweilige medizinische und pflegerische Begleitung der Patienten beobachten. Eine wahrhaft eindrückliche Dokumentation, die viele Fragen auslöste.

Ein Tag, der nachdenklich stimmte, aber auch hoffnungsvolle Akzente setzte und vielen Mut machte. Dies kam auch im herzlichen Dank an die Referentin zum Ausdruck.
 

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