ZÜRICH - Prof. Dr. med. dent. Ulrich P. Saxer, Fachzahnarzt für Parodontologie in Zürich, beleuchtet die Entwicklung und Zukunft des Berufsstandes Dentalhygienikerin und die Herausforderungen, die der Paradigmenwechsel mit sich bringt. Zudem werden die beiden aktuell möglichen DH-Ausbildungen kritisch abgewägt.
Es bedurfte einer etwa eineinhalbjährigen Vorbereitungsphase, ehe am 23. Oktober 1973 in Zürich die erste Schweizer Dental-Hygieneschule (DHSZ) mit 20 Schülerinnen eröffnete. Nach einer zweijährigen Ausbildungszeit wurde den neuen schweizerischen Dentalhygienikerinnen (DH) 1975 ihr Diplom überreicht.
In der Schweiz waren die ersten meist amerikanischen DH – praktisch illegal – seit 1961 tätig. 1967 bewilligte die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO die Ausbildung und den Einsatz von Schweizer DH und damit auch die erste Schule. Diese wurde als Stiftung der SSO (10 Prozent) und der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich geführt, welche für 90 Prozent des Defizits aufkam. Die Ausbildung kostete damals die Schülerin selber (ohne Lebenshaltungskosten) ca. CHF 10’000 – und die Stiftung bezahlte einen ebenso hohen Betrag pro Jahr für die Ausbildung an der DHSZ.
Das Ausbildungsprogramm mit 3’800 Stunden war nach den Curricula amerikanischer, schwedischer und holländischer Schulen erstellt. Vorgesehen waren etwa 800 Stunden klinische und ca. 800 Stunden vorklinische Ausbildung nebst jeweils 200 theoretischen Unterrichtseinheiten in Parodontologie und Präventivzahnmedizin nach dem Lehrbuch von H.R. Mühlemann: Einführung in die orale Präventivzahnmedizin (Verlag Hans Huber, Wien/Bern 1974), zusammen mit den Zahnmedizinern an der Universität Zürich. In Laborkursen und am Phantom wurden die DH-Studentinnen in die detaillierte Instrumentation in ungefähr 400–500 Stunden vorbereitet. Diese DH waren für die Behandlung der weitverbreiteten Fälle mit Parodontitis vorgesehen.
Ich war gerade von 1968 bis 1972 als Fachspezialist in Parodontologie an der Universität Zürich ausgebildet und realisierte, dass die Instrumentation der DH ganz anders gelehrt wurde als die bei den Spezialisten in Parodontologie: Da die Handinstrumentation über mehrere Stunden am Tag durchgeführt werden musste, beinhaltete das Training der DH Bewegungen der grobmotorischen Muskulatur aus dem Schultergürtel heraus. Diese Muskeln mussten befähigt werden, die erforderlichen feinmotorischen Bewegungen mit den Fingern so durchzuführen, dass die bekannten gesundheitlichen„berufsbedingten“ Schäden im Bereich des Unterarmes ausblieben.
Der Wandel war geprägt durch Paradigmenwechsel. Zuerst wurde die Handinstrumentation praktisch abgelöst durch die Schall- und Ultraschalltechnologie. Zur Behandlung der parodontalen Taschen wurde die Anästhesieausbildung für die DH eingeführt. Allein am 20 Jahre später gegründeten Prophylaxe Zentrum (PZZ) erreichten die in der Ultraschalltechnik ausgebildeten DH nie die Resultate, die dasselbe Instruktorenteam, Christa Haubensak und Christine Bischof, vor Jahren an der DHSZ erreicht hatte. So wurde nach dem ersten Ausbildungsgang wieder umgestellt. Jetzt wird initial sowie im Recall „schonend“ mit Schall- und Ultraschalltechnologie, das Finishing aber mit einer einmaligen perfekten Handinstrumentation durchgeführt – und wenn nötig mit der Full Mouth Disinfection wieder so viel erreicht, wie der Parodontologe mit chirurgischen Massnahmen.
Parodontitis wurde erkannt als eine nicht nur entzündliche Erkrankung. Nebst Umwelt (Gewohnheit und Erziehung) und Nahrung spielen das Rauchen und die Mitarbeit des Patienten (regelmässige Interdentalhygiene) eine entscheidende Rolle. Der Umgang mit „schwierigen“ Patienten wird mit Empathie und individueller, patientengerechter Information verbessert. Die zusätzlich erhöhten Risiken – teilweise bedingt durch das Älterwerden der Patienten, Erosionen, Keildefekte, Wurzelkaries werden durch die erweiterte Hygiene mit der den Biofilm besser kontrollierenden Schall-Hygienetechnologie vermieden. Die Zähne, die dank Prophylaxe und gesteigerter Lebenserwartung bis ins hohe Alter vorhanden sind, können mit dieser kombiniert schonenden Technik von Schall-Ultraschall und manueller Instrumentation auch erreicht werden.
Auf den Markt kommen weiter verbesserte Instrumente, welche es erlauben, beim Gesunden den Biofilm in weit kürzerer Zeit zu kontrollieren, während der „Parodontitispatient“ mit Hand und Verstand behandelt werden muss. Für die Zukunft braucht es DH mit einer gut fundierten Ausbildung, da die Zahnmediziner mehr Zeit für die in ihrer Ausbildung angebotenen Möglichkeiten in der Praxis benötigen. Die Früherkennung der Karies eröffnet der DH noch mehr Alternativen, regenerativ tätig zu werden.
Das Angebot in der DH-Ausbildung geht einerseits zur akademischen DH mit einem Bachelor, viel Theorie und wenig praktischer Arbeit, was sich kaum als richtig erweisen wird. Andererseits steht die mehr für die kooperierende Teampraxis fundamental auch in der Handinstrumentation zusammen mit den neuen technischen Möglichkeiten ausgebildete DH, welche imstande ist, nicht nur Zähne, sondern auch die Gesundheit des Patienten zu erhalten. Die Angebote sind da, die Interessenten mögen sich gut überlegen, welche Ausbildung sie anstreben.
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