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Interview: „Wenn mein Patient zuhört und mitdenkt, habe ich schon viel gewonnen“

Stephan Gelhaus mit Dentalhygienikerin Beatrix Knoch auf der FACHDENTAL Südwest/id infotage dental Stuttgart 2017. © Marc Chalupsky

Do. 15. März 2018

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STUTTGART – Stephan Gelhaus betrachtet den Zahnschmerz ganzheitlich! Vielmehr nimmt sich der Bremer Zahnarzt mit Sitz in Stuttgart viel Zeit für seine Patienten, um den Schmerz gar nicht erst entstehen zu lassen.

Eine Stunde mehr mit dem Patienten kann schließlich sein Leben verändern, sagt Stephan Gelhaus. Wir sprachen mit ihm auf der FACHDENTAL Südwest/id infotage dental Stuttgart 2017 über seine Praxisphilosophie der Notwendigkeit von visueller Kommunikation und den Wert verständlicher Aufklärung.

Herr Gelhaus, viele Ihrer Kollegen meinen, sie hätten keine Zeit, mit dem Patienten zu reden, da es sich ja oft auch um Patienten handelt, die mit starken Schmerzen vorsprechen. Was sagen Sie dazu?

Zunächst muss ich meinen Kollegen Recht geben: Nur, wenn der Patient ein echtes Problem hat, dann kommt er in die Praxis. Der Zahnarzt diagnostiziert und repariert, ohne groß zu reden. Natürlich ist es für viele Kollegen einfacher, nicht erst 15 Minuten über Mundhygiene zu sprechen, sondern gleich zu reparieren. Ich bin anderer Meinung. Als Zahnärzte sehen wir solche Probleme doch viel früher, auch wenn der Patient sicherlich noch keine Schmerzen hat. Ich trete für eine proaktive Zahnheilkunde und Prävention ein. Unabhängig vom Problem starten wir die Behandlung immer mit einem Gespräch. Dafür nehmen wir uns die Zeit. Eine Stunde oder mehr, eben so viel, wie die Patienten und wir benötigen. Warum wir das machen? Weil wir den Patienten als Mensch sehen und unsere Zahnbehandlung ganzheitlich ist.

Wenn der Patient dann merkt, dass sich der Behandler Zeit für ihn nimmt, ihn nicht einfach nur „repariert“, dann passiert etwas in seinem Kopf. Er schätzt den Kontakt zu mir und versteht, dass ich als Zahnarzt mehr wissen möchte, als nur seinen Dentalstatus.

Dies entspricht Ihrer Praxisphilosophie: Sie setzen große Schwerpunkte auf optimale Diagnose und Vorsorge.

Ich rede sehr viel mit dem Patienten und mache jedes Jahr ungefähr 10.000 Bilder mit meiner Intraoralkamera von den verschiedenen Behandlungsschritten. Damit kann ich dem Patienten ein ganz individuelles Konzept an die Hand geben, womit wir Probleme rechtzeitig erkennen und vermeiden können, bevor sie überhaupt entstehen. Viele Probleme sind ja vorhersagbar. Ich biete individuelle Pläne mit verschiedenen Stufen und kurz-, mittel- sowie langfristigen Aktionen. Wenn sich Erfolge nicht einstellen, ändere ich diese Pläne.

Das klingt ja aber so, als würden Sie Ihre Patienten sehr oft sehen. Welchen Intervall für einen Recall schlagen Sie vor?

Die Bakterien in der Mundhöhle brauchen ja eine gewisse Zeit, um sich zu organisieren. Deshalb brauchen wir den Patienten, der keine großen Probleme hat, auch nicht alle drei Monate zu sehen. Es reicht sicherlich zweimal im Jahr. Doch diese beiden Besuche versuchen wir dem Patienten näherzubringen. Wir können nicht jeden davon überzeugen, da der Leidensdruck eben oft noch nicht vorhanden ist. Nun kann ich natürlich versuchen, viel zu erklären und Bilder zu zeigen. Die einen akzeptieren das, andere Patienten ignorieren mich, weil sie eben nichts spüren. Es ist nun meine Aufgabe, ein Gesundheitsbewusstsein zu wecken.

Wenn wir über Prophylaxe sprechen, müssen wir auch sagen: Es gibt keine gute Leistung für wenig Geld. Doch was ist dem Patienten wichtiger: Gesundheit oder Konsum, das neueste iPhone oder ein gesunder Mund? Der Patient hat es ja selbst in der Hand, dass sein Mund gesund ist und bleibt.

Wie motivieren Sie Ihre Patienten hin zu einer guten Mundgesundheit?

Indem die Patienten ihre Probleme selbst sehen und erkennen. Wir nutzen dafür Spiegel und eben Intraoralkameras. Oft reicht der Handspiegel nicht aus, da der Patient nicht dort hinschaut, wo ich hinschaue. Wenn ich ein Foto oder Röntgenbilder auf dem Monitor zeige, sehen wir beide die gleiche Situation. Ich muss es am Ende immer auf genau der Ebene erklären, die für meinen Patienten am meisten nachvollziehbar ist. Dazu gehört auch eine normale Sprache. Fachwörter versteht der Patient nicht, deswegen nutze ich eine verständliche Sprache. Der Patient glaubt mir auch ohne Fachwörter, dass ich Zahnmediziner bin.

Wie wiederholen Sie Ihre Botschaften?

Wir sprechen regelmäßig über den aktuellen Status, schauen uns die Entwicklung des Patienten an, bewerten Fortschritte und Alternativen. Wir sprechen über die Intervalle der Zahnreinigung, mögliche chemische oder mechanische Hilfsmittel zur Mundpflege etc. Wir schauen ganz individuell, was möglich ist, und alles im Sinne der Patienten. Wir wissen ja auch, dass wir unperfekte Menschen sind, also sollten wir uns gegenseitig helfen.

Wie streng sind Sie zu Ihren Patienten?

Meine Patienten sagen mir, dass ich sie immer kritisieren würde. Bei jeder Untersuchung würde ich wieder auf Stellen hinweisen, die wir noch weiter verbessern müssen. Aber lieber bin ich etwas kritischer, als alle sechs Monate einen verschlechterten Zustand vorzufinden. Ich befürworte eben eine nachhaltige Zahnheilkunde und Lebensweise, keine Wegwerfgesellschaft. Das gilt übrigens auch für die Materialien. Ich nehme die besten Materialien auf dem Markt. Wer will denn schon seine mühevoll geleistete Arbeit nach ein paar Jahren wiederholen müssen?

Wir sind hier am Stand von Curaden Deutschland, unter anderem bekannt für ihre CURAPROX Interdentalbürsten. Wie bewerten Sie die Interdentalpflege bei Ihren Patienten?

Wenn Sie ein Auto lackieren wollen, machen sie erst einmal die Oberfläche sauber, sodass der Lack auch hält. Das versteht jeder. Meine Patienten dürfen lernen, zu verstehen, dass sie Zahnseide oder Interdentalbürsten brauchen, um danach saubere Oberflächen mit den schützenden Stoffen der Zahnpasta zu benetzen. Nach dem Zähneputzen ist die Bürste ja gar nicht erst in den Zahnzwischenräumen angekommen. Wenn meine Patienten auf dem Stuhl sitzen und auch noch mitdenken, habe ich schon viel gewonnen.
Am Ende muss ich meine Patienten so ausbilden, dass sie auch die Interdentalpflege selbst in der Hand haben. Wenn du weißt, dass du deine Interdentalräume einmal am Tag reinigen sollst, es aber nicht machst, kannst du alternativ auch alle acht Wochen zur Zahnreinigung kommen. Besser ist es jedoch, den Patienten zu inspirieren.

Vielen Dank für das Interview.

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