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4‘000 Teilnehmer beim ITI World Symposium

Dr. Bertrand Piccard, Lausanne. (Foto: ITI)
Dr. Sebastian Kühl, Universitätskliniken für Zahnmedizin Basel

Dr. Sebastian Kühl, Universitätskliniken für Zahnmedizin Basel

Di. 29 Juni 2010

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GENF – Drei Tage Wissenschaft auf höchstem Niveau und kollegialer Austausch. Ein perfekt organisiertes Symposium der Extraklasse. Lesen Sie den Bericht von Dr. Sebastian Kühl, Universitätskliniken für Zahnmedizin Basel.

Das bisher grösste und spektakulärste ITI Symposium seit Gründung der ITI Foundation 1980 durch Prof. André Schrader und Dr. Fritz Straumann erlebten über 4’000 Teilnehmer aus über 90 Ländern vom 14. bis 17. April 2010. Unter dem Motto „30 Years of Leadership and Credibility“ gaben 113 international renommierte Experten aus 26 Nationen während drei Tagen ihr Wissen rund um die Implantologie weiter. Insgesamt 38 Aussteller, 118 Posterpräsentationen und eine ITI-Party mit über 2’200 Teilnehmern rundeten den Kongress im Palexpo Konferenzzentrum Genf ab und setzten neue Massstäbe.

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Geballtes Wissen in 23 Hauptvorträgen

Der 6. Präsident der ITI-Foundation, Prof. Daniel Buser/Bern, und der Vorsitzende des wissenschaftlichen Komitees Dr. Stephen Chen/Balwyn, Australien, eröffneten das 12. ITI Symposium mit beeindruckenden Daten: Insgesamt zählt die ITI Foundation über 8’000 Mitglieder weltweit. Seit 1988 wurden über 35 Millionen Schweizer Franken für Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Implantologie bereitgestellt. Die 700 Fellows aus über 90 Nationen erzielten daraus in mehr als 1’100 Publikationen einen kumulativen Impact Factor von 1’867. Dieses geballte Wissen wurde in 23 Hauptvorträgen durch hochkarätige internationale Referenten im Laufe der drei Tage präsentiert und zum Ende einer jeden Session kritisch und kontrovers im Plenum diskutiert. Kein Geringerer als der Abenteurer und Psychiater Dr. Bertrand Piccard, bekannt durch seine Weltumrundung mit dem Heissluftballon Orbit 3, stimmte die Teilnehmer auf das wissenschaftliche Programm ein und bot beeindruckende Bilder und Einblicke von seiner 2002 geglückten Mission.

CT oder DVT für die präimplantologische Planung?
William Scarfe/Louisville, USA, eröffnete mit dem ersten Vortrag das wissenschaftliche Hauptprogramm, bei welchem es um neue klinische Methoden in der Diagnostik und Therapieplanung ging. Hierbei wurden computertomografische (CT) Verfahren mit moderner digitaler Volumentomografie (DVT) für die präimplantologische Planung miteinander verglichen. Dabei wurden auf der Basis wissenschaftliche Daten gezeigt, dass beide Verfahren die tatsächlichen Knochendimensionen mit einer sehr hohen, vergleichbaren Genauigkeit reproduzieren können. Aufgrund der geringeren Strahlenbelastung sei aber bei rein implantologischer Fragestellung die DVT trotz fehlender Hounsfield-Skalierung der Computertomografie vorzuziehen. Allerdings wurde darauf verwiesen, dass unabhängig der Volumengrössen z. T. erhebliche Unterschiede in der Strahlendosis unter den aktuell auf dem Markt erhältlichen DVTs bestehen.

Die Frage, ob die CT in Zukunft überflüssig sei, wurde durch den Radiologen Bernard Koong/Swanbourne, Australien, klar verneint, und zwar aufgrund der überlegenen Weichteildarstellung und der besseren Darstellung von Polyfrakturen nach Trauma in der CT gegenüber der DVT. Den Übergang zur schablonennavigierten Implantologie, bei welcher virtuelle Implantatplanungen auf der Basis von CT- oder DVT-Daten möglich sind, präsentierten PD Ronald Jung/Zürich, und Daniel Wismeijer/Amsterdam. Dabei wurden aktuelle Daten der ITI- und EAO-Konsensuskonferenz zur Genauigkeit der schablonennavigierten Implantologie präsentiert. Mit einer mittleren Abweichung der Lageposition der Implantatschulter von 0,74mm und des Apex von 0,85mm im Verhältnis zur virtuellen Planung gelten die meisten erhältlichen Systeme als präzise und etabliert. Ronald Jung hob dabei hervor, dass die schablonengeführte Implantologie aufgrund der Möglichkeit minimalinvasiver Implantatinsertionstechniken zu einer signifikant reduzierten Patientenmorbidität führt. Prof. Wismeijer zeigte die Möglichkeiten der dynamischen Navigation auf, bei welcher vollautomatisiert in Echtzeit wichtige anatomische Strukturen durch einen Bohrstopmechanismus geschont werden können. Die virtuelle Realität hat Einzug in die Zahnmedizin gehalten und wird laut Daniel Wismeijer in Zukunft eine immer grössere Bedeutung gewinnen.

Einfluss neuer Techniken auf die Behandlungsplanung
Am Nachmittag wurden prinzipielle Fragestellungen in der Implantologie diskutiert. Nicos Donos/London, bearbeitete die Frage, ob Implantate besser abschneiden würden als parodontal behandelte Zähne. Dabei wurden eindrucksvolle Ergebnisse regenerativer Techniken wie der GBR und Emdogaintechnik dargestellt. Prof. Christoph Hämmerle/Zürich, bot wissenschaftliche Grundlagen zum Einheilverhalten einteiliger versus zweiteiliger Implantate und zeigte die Indikationen für die subgingivale und transgingivale Einheilung auf. Dabei wurde hervorgehoben, dass in tierexperimentellen Studien keine Unterschiede zwischen subgingivaler und transgingivaler Einheilung von Implantaten nachgewiesen werden konnten. Aufgrund der zu erwartenden Knochenresorption von 1mm sollten zweiteilige Implantate, wann immer möglich, in der ästhetischen Zone 1 mm unterhalb des Gingivaverlaufs inseriert werden. Die Indikationen für zweiteilige Implantate stellen schmale sagittale Lücken, ausgeprägte Augmentationen, die Notwendigkeit einer geschlossenen Wundheilung sowie Weichgewebskorrekturen dar. Einteilige Systeme hingegen bieten den Vorteil der reduzierten operativen Eingriffe und neben der damit verbundenen verminderten postoperativen Morbidität auch reduzierte Kosten. Paul Stone/Perth, Schottland, stellte im Anschluss seine Stabilitätsstudien und klinischen Ergebnisse zu den Roxolid®-Implantaten dar. Durch eine neuartige Verbindung von Titanzirkonium konnte in Stabilitätstests ein deutlicher Zugewinn der mechanischen Stabilität und somit reduzierten Frakturgefahr um bis zu 55% im Vergleich zu Reintitan nachgewiesen werden. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, durchmesserreduzierte Implantate auch im Molarenbereich zu verwenden, was in vielen Fällen augmentative Massnahmen vermeiden kann und somit neben einer Kostenreduktion vor allem die postoperative Morbidität reduziert. Neben verbesserten biomechanischen Eigenschaften konnte in tierexperimentellen Studien eine im Verhältnis zu Reintitan erhöhte Knochenanlagerung nachgewiesen werden. Den vorläufigen Schlusspunkt zu materialkundlichen Aspekten setzte dann Frank Schwarz/Düsseldorf, der seine tierexperimentellen Studien zum Einheilverhalten der SLA Active Oberfläche bei artifiziell angelegten, vestibulären Defekten darstellte. Im Vergleich zur konventionellen SLA-Oberfläche konnte in histologischen Schnittbildern dargelegt werden, dass die modifizierte SLA Active Oberfläche die Knochenregeneration von Dehiszenzdefekten durch eine erhöhte Stabilität des Koagels begünstigen kann.

Regenerative Techniken und Materialien
Am Freitag eröffnete Prof. Thomas von Arx/Bern, das Hauptprogramm. Er zeigte strukturiert und umfassend die aktuelle Datenlage hinsichtlich unterschiedlicher Knochenersatzmaterialien und Techniken zur Regeneration transversaler Knochendefekte. Dabei wurde kritisch vermerkt, dass es zu wenige Studien gebe, die die reine Resorption unterschiedlicher Materialien nach vestibulärer Augmentation untersucht haben.

Unabhängig davon konnte gezeigt werden, dass die geringsten (transversalen) Dimensionsänderungen dann zu erwarten sind, wenn autologe Knochenblöcke mittels Biomaterialien und Membranen zum Resorptionsschutz abgedeckt werden.

Marco Chiapasco/Mailand, illustrierte den wissenschaftlichen Stand hinsichtlich der Augmentation des atrophen Oberkieferseitenzahngebiets mittels Sinusbodenelevation. Mit einer mittleren Überlebenswahrscheinlichkeit von über 95% nach fünf Jahren stelle die über ein faziales Kieferhöhlenfenster durchgeführte Sinusbodenelevation ein etabliertes und sicheres Verfahren dar. Bei der Zusammenstellung partikulierter Augmentate konnte gezeigt werden, dass das Beimischen von autologem Knochen zu einer geringeren Zahl von Misserfolgen führt. In einigen Fällen sei es sinnvoll, neben der Sinusbodenelevation zusätzlich mittels autologer Knochenblocktransplantate den atrophierten Kieferkamm in der Vertikalen wiederherzustellen, um die Hebelarme der prothetischen Rekonstruktionen zu reduzieren.

Implantatlängen: Wie kurz ist kurz?
Um reduzierte Implantatlängen ging es im nächsten Vortrag. Franck Renouard/Paris, bearbeitete die Frage „Wie kurz ist kurz“? Dabei wurden zahlreiche klinische und röntgenologische Verlaufskontrollen von Implantaten mit einer Länge von weniger als 8mm in unterschiedlichen Indikationsbereichen gezeigt, die selbst nach 10 bis 15 Jahren in situ keine Anzeichen von Komplikationen vorwiesen. Renouard zog den Schluss, dass keine Implantate mehr gesetzt werden sollten, die länger als 8 mm sind. Bei ähnlicher Prognose bieten kurze Implantate den Vorteil der Vermeidung von komplizierten vertikalen Augmentationen sowie der Verletzung wichtiger anatomische Strukturen, wie etwa Perforationen des Sinus maxillaris oder Schädigungen des Nervus alveolaris inferior. Wissenschaftlich begründete Renouard die hohe Erfolgswahrscheinlichkeit kurzer Implantate mit eigenen Finite Elementanalysen, in welchen gezeigt wurde, dass über 90% der Belastung bei Scherkräften auf eine Krone in den oberen 3mm von Implantaten auf den Knochen übertragen werden. Somit leiste eine darüber hinaus vorhandene intraossäre Verankerungsfläche nur einen sehr geringen Beitrag zur Stabilität.

CAD/CAM bei implantatgetragenen Kronen und Brücken
Stephen T. Chen/Balwyn, Australien, Will Martin/Gainesville, USA, und Brody Hildebrand, Dallas/USA, zeigten neben den Vorzügen der Flapless-Surgery vor allem die Möglichkeiten moderner CAD/CAM-Technik auf, welche mittlerweile auf Basis einer hohen Genauigkeit (10–60µm Spaltbreiten) und der sehr guten Kostenrelation in Zukunft eine immer bedeutendere Rolle in der Anfertigung implantatgetragener Kronen und Brücken einnehmen werden. Abgerundet wurde der zweite Tag durch einen Vortrag von German Galucci/Boston, USA, der einen Überblick über die aktuelle Klassifikation der Belastungsprotokolle entsprechend der ITI-Treatment Guides bot.

Periimplantäre Komplikationen und ihre Folgen
Prof. Niklaus P. Lang/Hongkong, eröffnete den letzten Kongresstag, der komplett den periimplantären Komplikationen gewidmet war. Hierbei verwies Prof. Lang darauf, dass die Periimplantitis eine obligat bakterielle und somit infektiöse Erkrankung des periimplantären Knochens darstellt. Eine Mukositis gehe der Periimplantitis immer voraus und kann im Vergleich zur Periimplantitis verhältnismässig einfach reversibel therapiert werden. Darüber hinaus zeigte Prof. Lang erschreckende Daten: Wenn Implantate gezielt hinsichtlich periimplantärer Infekte untersucht werden, zeigten Langzeitstudien, dass in bis zu 40% der Fälle mit periimplantären Infektionen nach einer Verweildauer von 7 Jahren zu rechnen sein kann. Wird berücksichtigt, dass schätzungsweise 8,5 Millionen Implantate weltweit im Jahr 2010 gesetzt werden sollen, kann man somit davon ausgehen, dass Periimplantitis eine immer häufiger zu therapierende Erkrankung darstellen wird. Prof. Lang verglich die Situation mit einem Tsunami, der auf die Zahnmedizin zurollt. Im Anschluss präsentierte PD Giovanni Salvi/Bern, moderne Techniken der resektiven und regenerativen Periimplantitistherapie. Simon Jensen/Glostrup, Dänemark, widmete sich den intraoperativen, Bjarni Pjetursson/Reykjavik, Island, und Dean Morton/Louisville, USA, den prothetischen Komplikationen wie Schrauben-, Steg- und den Keramikfrakturen.

Posterpreis ging nach Basel
Das wissenschaftliche Komitee vergab dann noch Preise für den besten wissenschaftlichen Vortrag und den besten Posterbeitrag. Aus der Schweiz erhielt Dr. Irmgard Hauser-Gerspach von der Universitätszahnklinik in Basel den Preis für das beste Poster der Kategorie „Basic Research“ für ihre Untersuchungen zu Dekontaminationen bakteriell besiedelter Implantatoberflächen.

Symposiums-Erlebnis – die Teilnehmer aus aller Welt äusserten sich begeistert
Es waren drei Tage der Wissenschaft auf höchstem Niveau und des kollegialen Austauschs. Neben einer perfekten Organisation konnten sich die Teilnehmer an den ausnahmslos hervorragenden Vorträgen erfreuen und die Möglichkeit nutzen, international renommierte Referenten aus dem Gebiet der Implantologie live zu erleben. Die über 4’000 Teilnehmer sind voll auf ihre Kosten gekommen und haben ein Symposium der Extraklasse erlebt, das seinesgleichen sucht. Überschattet wurde der Kongress lediglich durch die Eruptionen des isländischen Gletschers Eyjafjalla, der vielen Teilnehmern ein verlängertes Wochenende in Genf bescherte. Besondere Anlässe verlangen nun mal besondere Ereignisse, sodass spätestens hierdurch das 12. ITI-Symposium für viele ein unvergessliches Erlebnis war.

Das nächste ITI World Symposium 2014 findet voraussichtlich wieder in Genf statt.
 

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