DT News - Switzerland - «Der Austausch von Ideen ist stimulierend für Lehre & Forschung»

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«Der Austausch von Ideen ist stimulierend für Lehre & Forschung»

Gruppenbild anlässlich der 35-Jahr-Jubiläumsfeier der Faculty of Dentistry: Prof. Dr. Michael Bornstein, Dr. Andy Yeung (zweiter von links; Tutor in «Oral and Maxillofacial Radiology») und Prof. Dr. Jukka Matinlinna (rechts; Professor für «Dental Materials Science») mit einem ehemaligen Studenten. © Michael Bornstein/privat
Majang Hartwig-Kramer

Majang Hartwig-Kramer

Mi. 8 August 2018

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HONGKONG – Prof. Dr. med. Michael M. Bornstein, seit 2016 in Hongkong, im Gespräch mit Majang Hartwig-Kramer, Redaktionsleitung Dental Tribune Schweiz.

Bornstein studierte bis 1998 Zahnmedizin in Basel und promovierte 2001 zum Dr. med. dent. Es folgten Weiterbildungen in Oralchirurgie und Stomatologie in Basel und Bern (bei Prof. Dr. Dr. J. Thomas Lambrecht und Prof. Dr. Daniel Buser). Seit 2016 ist der Schweizer als Professor für «Oral and Maxillofacial Radiology» an der Zahnmedizinischen Fakultät der Universität Hongkong tätig.

Majang Hartwig-Kramer: Wie kam es dazu, dass Sie Ihre «Zelte» nun in Hongkong aufgeschlagen haben?

Prof. Dr. Michael Bornstein: Die Dental Faculty der University of Hong Kong (HKU) ist eine renommierte Institution und wurde dieses Jahr nun schon zum dritten Mal in Folge im «QS World University Ranking» nach Fachrichtungen auf dem Gebiet der Zahnmedizin als Nummer 1 weltweit gewertet. Ein echter Hattrick also. Es ist sicherlich noch immer so, dass die asiatischen Universitäten generell unterschätzt werden, obwohl diese in Sachen Infrastruktur und auch Forschungsqualität und -quantität längst mit vielen Hochschulen in Europa oder auch Amerika gleichgezogen haben. Hier sind besonders die Universitäten in China und Hongkong, Südkorea, Japan sowie Singapur zu erwähnen, die in vielen Fachgebieten internationale Spitzenplätze erzielen. Das besondere an der HKU ist sicherlich auch, bedingt durch die Geschichte von Hongkong als ehemalige britische Kolonie, dass hier an der Universität auf Englisch gelehrt wird. Daraus folgt logischerweise, dass auch die «Faculty» an der Zahnmedizin sehr international zusammengesetzt ist – aus über 40 Ländern. Das ist sicherlich mit ein Grund für das ausgezeichnete Ranking, da dieser Austausch an Ideen und auch Interessen sehr stimulierend ist bezüglich Lehre und Forschung. So habe ich erst hier beispielsweise ganz neue  Lehrformen  kennengelernt, wie den «flipped classroom» oder die MOOCs (Massive Open Online Course). Als sich die Möglichkeit einer Professur hier ergeben hat, habe ich also nicht lange gezögert. Es gibt hier so viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln und auch an der Spitze der Lehre und Forschung in der Zahnmedizin dabei zu sein.

Nach bald zwei Jahren hier kann ich sagen, dass ich diesen Schritt nicht bereut habe. Zudem hat die Stadt und der ganze asiatisch-pazifische Raum kulturell, kulinarisch und auch in Sachen Natur unglaublich viel zu bieten. Nur wenige meiner Freunde wussten beispielsweise, dass Hongkong ein perfekter Ort zum Wandern ist – von einfachen Rundwegen am Meer entlang, bis hin zu anspruchsvollen «Berg»wanderungen.

Was gehört zu Ihrem Aufgaben­spektrum in Hongkong?

Meine Aufgaben können grob in drei Schwerpunkte eingeteilt werden. In der Lehre bin ich daran, das Curriculum der Studenten («undergraduate students») auf dem Gebiet der dentomaxillofazialen Radiologie und oralen Diagnostik zu modernisieren und zu «digitalisieren». Die Studenten sollen neben den digitalen Optionen zur intraoralen Bildgebung auch weiterführende Techniken der oralen Radiologie theoretisch und teils auch praktisch kennen – von der digitalen Volumentomografie (DVT) bis hin zum Ultraschall (US). Als Lehrmittel werden hier neben dem Frontalunterricht sowohl Demos in Kleingruppen als auch Onlineprogramme eingesetzt. Da das Studium der Zahnmedizin in Hongkong sechs Jahre dauert, kann man dies auch perfekt stufenweise aufgleisen. Daneben haben wir zusammen mit der Parodontologie eine Seminarreihe in der oralen Implantologie für die angehenden Parodontologen («taught postgraduate students») zusammengestellt.

In der Forschung fokussieren wir uns auf Möglichkeiten und Grenzen der aktuellen Niedrig-Dosis-Protokolle beim DVT, den Einsatz sowie die Herausforderungen von computerassistierten Programmen zur Diagnostik («AI»/artifizielle Intelligenz) und auf interdisziplinäre, primär klinisch orientierte Projekte, beispielsweise mit der Parodontologie, Kieferchirurgie oder auch medizinischen Radiologie.

Last, but not least arbeite ich daran, unsere Klinik als Kompetenzzentrum für orale Diagnostik und Bildgebung aufzubauen und bin im Rahmen der Spezialistenausbildung regelmässig chirurgisch-implantologisch tätig. Dies ist sicher sehr positiv, da ich meine Expertise aus der Klinik für Oralchirurgie und Stomatologie der Universität Bern bei Prof. Dr. Daniel Buser 1:1 brauchen und umsetzten kann.

Thema Forschung – womit beschäftigen Sie sich in Hongkong und welche Unterschiede gibt es zu Ihrer Berner Arbeit?

Die  Forschungsschwerpunkte sind im Prinzip eine Weiterführung meiner wissenschaftlichen Schwerpunkte, welche ich schon in Bern gesetzt hatte. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung der ganzen Uni sind aber einige neue dazugekommen – beispielsweise eine intensive Zusammenarbeit mit der Kieferchi­rurgie, der medizinischen Radiologie und auch international mit dem King’s College in London (KCL) – der aktuellen Nummer 2 der Zahnmedizin im QS Ranking. Das KCL hat eine ausgezeichnete und sehr aktive zahnärztliche Radiologie und eine internationale Expertise auf dem Gebiet des Ultraschalls (US) im orofazialen Bereich. Da US ja eine nicht ionisierende diagnostische Methode der Bildgebung ist, passt dies auch perfekt in den Forschungsfokus unserer Gruppe zum Thema «Dosisoptimierung und -reduktion in der diagnostischen Bildgebung».

Für mich ist besonders der internationale Austausch sehr spezifisch für die HKU. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass Hongkong im Prinzip eine Insel ist. Wann immer man also eine andere zahnmedizinische Universität besuchen will, muss man beinahe zwangsläufig ins Flugzeug steigen. Bei den Dimensionen im asiatisch-pazifischen Raum kann dies problemlos zu Flügen zwischen zwei bis acht Stunden Dauer führen. Grenzen sind also hier in Hongkong relativ und der Blick war hier schon immer etwas weiter – was natürlich auch in Hinsicht auf die schrittweise Zusammenführung mit China eine zusätzliche politische Dimension erhält. 

Eine abschliessende Frage: Bleiben Sie der Schweizer Zahnheilkunde auch weiterhin erhalten?

Ich hoffe und denke schon! Seine Wurzeln kann man ja auch nicht einfach so entfernen. Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich mit Bern immer noch eine rege und überaus fruchtbare wissenschaftliche  Zusammenarbeit habe. Zudem ist es auch immer wieder schön, die Zahnmedizinischen Kliniken in Bern zu besuchen und sich mit Freunden und Kollegen auszutauschen. Ich denke auch, dass der Platz 7 im aktuellen QS Ranking mehr als verdient ist. An dieser Stelle möchte ich es auch nicht versäumen, meinen Berner Kollegen zu diesem tollen Erfolg zu gratulieren. Vielleicht kann man sogar in Zukunft mal Kollegen aus Bern zu einem Forschungsaufenthalt in Hongkong – oder auch vice versa – motivieren. Ich denke, dass beide Universitäten von einem solchen Austausch enorm profitieren würden – bezüglich Forschung, Lehre, aber auch Konzepten der Patientenbehandlung.

Dieses Jahr steht auch noch ein grosser internationaler Kongress in der Schweiz an – die Europäische Gesellschaft für Dentomaxillofaziale Radiologie führt zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Dentomaxillofaziale Radiologie (SGDMFR) im Juni in Luzern ihren Kongress durch, der nur alle zwei Jahre stattfindet. Das wird sicher eine tolle Sache – und ich freue mich da besonders auf den Vorkongress am 13. Juni, welcher von der SGDMFR organisiert wird und unter dem Motto «Der virtuelle Pa­tient» steht. Es wäre mir da eine besondere Freude, möglichst viele Kollegen aus der Schweiz zu treffen.

Herr Prof. Bornstein, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. 

Das Interview ist in der Dental Tribune Schweiz erschienen.

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