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Der Zahnarzt als billiger Jakob?

Die Discount-Welle rollt, und mittlerweile hat sie in der Schweiz auch den Markt der Zahnmedizin erreicht: Bis zu 50 Prozent günstigere Preise für zahnmedizinische Behandlungen versprechen Billig-Zahnarztpraxen und fahren gegen die etablierte Konkurrenz schweres Geschütz auf. © Shutterstock.com
Thomas Kast

Thomas Kast

Mo. 3 September 2012

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Die Discount-Welle rollt, und mittlerweile hat sie in der Schweiz auch den Markt der Zahnmedizin erreicht: Bis zu 50 Prozent günstigere Preise für zahnmedizinische Behandlungen versprechen Billig-Zahnarztpraxen und fahren gegen die etablierte Konkurrenz schweres Geschütz auf.

„Ich bin doch nicht blöd“, legte der Elektronik-Discounter Media Markt seiner Schnäppchenjäger-Kundschaft in den Mund. Aldi lockt mit Preiskrachern, Lidl verspricht sagenhafte Aktionen, und bei Conforama gibt’s Schnäppchen am laufenden Band. Die Discount-Welle rollt, und mittlerweile hat sie in der Schweiz auch den Markt der Zahnmedizin erreicht: Bis zu 50 Prozent günstigere Preise für zahnmedizinische Behandlungen versprechen Billig-Zahnarztpraxen und fahren gegen die etablierte Konkurrenz schweres Geschütz auf. Sie bezichtigen die klassische Zahnarztpraxis der totalen Ineffizienz, reden der Standardisierung von Zahnarztpraxen das Wort und bieten wie Grosshändler Mengenrabatte an. Wie das wohl gemeint ist? Nach dem Motto „drei für zwei“ drei Zähne ziehen lassen und nur für zwei bezahlen? Oder etwa Familienrabatt für Implantate?

Auf jeden Fall ist das Tiefpreisversprechen der Discount-Zahnärzte mit Vorsicht zu geniessen. Wäre da nicht ein Haken, würde sich jede Zahnarztpraxis, die nach dem Preismodell des SSO-Tarifs abrechnet, des Verdachts der Abzocke aussetzen. In der Tat gibt es beim Schnäppchen­angebot der Discount-Zahnärzte nicht nur einen Haken, sondern gleich mehrere. Die Behauptung, Preisabschläge in der Grössenordnung von 40 bis 50 Prozent liessen sich allein durch Standardisierung, Effizienzsteigerung bei den Abläufen und Einsparungen auf der Kostenseite erzielen, klingt reichlich unglaubwürdig. Somit gehen die Patientinnen und Patienten das Risiko ein, dass sie aufgrund des tiefen Preises einen Verlust bei der Behandlungs- und Betreuungsqualität hinnehmen müssen.

Risiken birgt das Discount-Modell nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die Zahnarztpraxis, die sich im Tiefpreissegment positioniert. Gelingt es ihr nicht, eine qualitativ überzeugende Gesamtleistung zu erbringen, wird der erste Besuch ihrer Patienten auch gleich der letzte sein. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht will es gut überlegt sein, ob mit knapp kalkulierten Margen eine zufriedenstellende Profitabilität erzielt werden kann. Ist die Ertragskraft unzureichend, leidet die Liquidität, was existenziell gefährlich ist.

Letztlich muss jede Zahnarztpraxis für sich selber entscheiden, wie sie sich im Markt positionieren soll. Will sie mit Schnäppchenpreisen Umsatz bolzen oder mit einer qualitativ hochwertigen Marktleistung angemessene Honorarerträge generieren? Will sie an allen Ecken und Enden Kosten optimieren oder sich mit einer erstklassigen Patientenbetreuung als Service-Champion profilieren und auf diese Weise nachhaltige und lukrative Patientenbeziehungen aufbauen? Will sie ihre Patienten mit dem Verweis auf teure Privatkredite abspeisen oder mit einem Outsourcing des Kreditmanagements an ein spe­zialisiertes Finanzdienstleistungsunternehmen ihre Servicequalität auch auf die finanzielle Seite zahnmedizinischer Behandlungen ausweiten?

Eines ist gewiss: Qualität kostet Geld. Oder mit den Worten des englischen Schriftstellers und Sozialphilosophen John Ruskin (1819–1900): „Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.“

„Mit dieser Kolumne nimmt Thomas Kast, Geschäftsführer der Zahnärztekasse AG, regelmässig Stellung zu aktuellen Wirtschaftsthemen, die auch die Zahnarztpraxen betreffen. Wir freuen uns, mit Thomas Kast einen profunden Kenner betriebswirtschaftlicher Themen als Kommentator gewonnen zu haben.“

Johannes Eschmann, Chefredaktor

Kontakt:
Thomas Kast
Geschäftsführer
der Zahnärztekasse AG
Tel.: +41 43 477 66 66
kast@zakag.ch
www.zakag.ch

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