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EDI schießt mit Verordnung über Festlegung der Versorgungsgrade ein Eigentor

Die Verordnung vom Eidgenössischen Departement des Innern gefährdet die Versorgungssicherheit und -qualität. © WavebreakMediaMicro – stock.adobe.com
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Mi. 1 Februar 2023

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BERN – Die vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) auf den 1. Januar 2023 in Kraft gesetzte Verordnung über die Festlegung der regionalen Versorgungsgrade im Rahmen der Zulassungsbeschränkung von Ärztinnen und Ärzten durch die Kantone ist ein Eigentor.

Sie gefährdet die Versorgungssicherheit und -qualität in der Schweiz und hat dramatische Folgen für die Aus- und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte. Zudem ignoriert sie die seit Jahren bekannte Tatsache, dass wegen zu weniger Studienplätze in der Medizin die Abhängigkeit von ausländischen Ärztinnen und Ärzten ständig zunimmt.

In Zukunft müssen die Kantone die Anzahl von Ärztinnen und Ärzten, welche im ambulanten Bereich zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig sind, beschränken. Bis Ende Juni 2023 ist eine Übergangsregelung in Kraft. Als Hilfestellung publizierte das BAG kantonale Versorgungsgrade, differenziert nach einzelnen medizinischen Fachgebieten. Die Berechnungen dieser Versorgungsgrade basieren auf einer Analyse des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) und der BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG (BSS). Die Autoren halten darin klar fest (Kapitel 6.1): «Nur wenn die Annahme getroffen wird, dass die gegenwärtige gesamtschweizerische ambulante Versorgung das richtige Niveau hat, kann der Versorgungsgrad als Mass für Unter- oder Überversorgung interpretiert werden (vgl. auch Unterkapitel 2.2). In den meisten Fällen ist diese Annahme kritisch. Deshalb ist ein unterrespektive überdurchschnittlicher Versorgungsgrad kein hinreichender Grund, um von einer Unter- oder Überversorgung auszugehen.» Im Klartext: Die statistischen Grundlagen sind ungenügend und erlauben keine Aussagen über eine gegenwärtige, geschweige denn eine zukünftige Unter- oder Überversorgung an Ärztinnen und Ärzten.

Gravierende Folgen für die Ärzteschaft sowie die Patientinnen und Patienten

Die FMH machte in ihrer Vernehmlassungsantwort auf die mangelnde Datengrundlage und die von den Autoren selbst genannten Einschränkungen für Schlussfolgerungen aufmerksam. Diese Bedenken wurden aber vom EDI in der Verordnung nicht berücksichtigt. Aus Sicht der FMH lassen die statistischen Grundlagen aktuell keine belastbare Herleitung der Versorgungsgrade und der anschliessenden, darauf basierenden Berechnung der Höchstzahlen zu. Die trotzdem erfolgte Publikation von Versorgungsgraden hat Folgen für die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten und die Qualität der medizinischen Versorgung. Dies kann dazu führen, dass erfahrene Ärztinnen und Ärzte länger am Spital tätig bleiben müssen, was sich wiederum negativ auf die Möglichkeiten von Assistenzärztinnen und -ärzte in Weiterbildung zum Facharzttitel auswirkt, da diese auf entsprechende Weiterbildungsplätze an Spitälern angewiesen sind. Die Versorgungsgrade führen je nach Kanton und Fachrichtung teilweise zu einem faktischen Berufsverbot im praxisambulanten Bereich mit gravierenden Konsequenzen für die Patientenversorgung und die Versorgungssicherheit in der Schweiz. In ihrer Vernehmlassungsantwort vom 20. Oktober 2022 listet die FMH Fakten auf, die ihre Kritik stützen. Wenn Eltern beispielsweise keinen Kinderarzt finden oder Patientinnen und Patienten monatelang auf eine psychiatrische Behandlung warten müssen, ist das eine folgenschwere Entwicklung.

Damit lassen sich keine Kosten senken

Kosten im Gesundheitswesen lassen sich mit den neuen Zulassungsregulierungen nicht senken. Mangel- und Fehlversorgungen führen erfahrungsgemäss zu zusätzlichen Kosten.

Wichtig wäre die Umsetzung von Massnahmen, welche der Beseitigung von erkannten Fehlanreizen dienen.

Dazu gehören:

Konkrete Massnahmen gegen den Fachkräftemangel mit

  • rigoroser Entlastung von administrativen Aufgaben;
  • Erhöhung der Studienplätze für Medizin: Etwa 40 % der in der Schweiz ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte zeigen Interesse an der medizinischen Grundversorgung, das heisst, sie möchten gern Haus- oder Kinderärztinnen und -ärzte werden.

Die Umsetzung der Reformen des Tarifs- und des Finanzierungssystems:

  • TARDOC, ambulante Pauschalen und EFAS (einheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Dienstleistungen).
  • Die heutige ambulante Tarifierung nach TARMED ist hoffnungslos veraltet und kann seit 2004 (!) nicht mehr weiterentwickelt werden. Darin ist weder die Interprofessionalität noch die Digitalisierung abgebildet, was allein schon reicht, um dessen Dysfunktionalität aufzuzeigen.

Investitionen in die Qualität der Behandlungen:

  • Je besser in der ärztlichen Behandlung die Indikationsqualität ist sowie die Kompetenz der betroffenen Patientinnen und Patienten, desto kosteneffizienter und optimaler ist der Behandlungspfad.

Die FMH ist mit den berechneten Versorgungsgraden nicht einverstanden und verlangt eine Weiterentwicklung der Datengrundlage und der Methodik. Wie bereits mehrmals angeboten, steht die FMH gerne für die Weiterentwicklung und Validierung der Berechnungen zur Verfügung.

Weitere Informationen: FMH-Vernehmlassungsantwort vom 20. Oktober 2022.

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