ZÜRICH – Der Nationalrat hat kürzlich über den zweiten Teil des ersten Kostendämpfungspakets beraten. Dieser enthält eine Massnahme über die Kostensteuerung durch die Tarifpartner, welche für die gute solidarisch finanzierte Patientenversorgung in der Schweiz gravierende Folgen haben könnte. In Artikel 47c der Gesetzesvorlage ist festgehalten, dass die Tarifpartner korrigierende Massnahmen ergreifen müssen, wenn die Kostenentwicklung in einem Jahr nicht so verläuft, wie im Voraus politisch festgelegt.
Der Artikel war im Dezember 2021 bereits aus der Vorlage gestrichen worden. Aufgrund eines Rückkommens beider Kommissionen musste der Nationalrat nun nochmals über den Artikel beraten und hat leider mit einer Mehrheit entschieden, den Artikel nicht zu streichen. Es ist zu hoffen, dass die schädlichen Konsequenzen in der weiteren Beratung erkannt werden und der Artikel im Ständerat nicht mehrheitsfähig ist.
Um die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zu dämpfen, hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) verschiedene Massnahmen in die Beratung gegeben. Wichtig ist dabei, dass Massnahmen vorsichtig abgewogen werden, um die gute Patientenversorgung in der Schweiz nicht zu schädigen. Dies ist umso wichtiger, als nicht die Kostenentwicklung, sondern die Prämienentwicklung in den letzten Jahren besorgniserregend war.
Gute solidarisch finanzierte Patientenversorgung muss erhalten bleiben
Der zweite Teil des ersten Kostendämpfungspakets enthält eine Massnahme zur Steuerung der Kosten durch die Tarifpartner. Artikel 47c der Gesetzesvorlage verlangt, dass ein «gerechtfertigtes Wachstum» im Gesundheitswesen festgelegt wird. Wird dieses überschritten, so müssten sich die Tarifpartner auf lineare Kürzungen, Rückzahlungen oder degressive Tarife einigen, um das Kostendämpfungsziel zu erreichen. Damit würden sach- und betriebswirtschaftlich korrekte Tarife, die vom Bundesrat genehmigt sind, willkürlich gekürzt. Ziel des Artikels ist, dass Ärztinnen und Ärzte mit finanziellen Sanktionen davon abgehalten werden, medizinische Leistungen über eine vorab festgelegte Kostengrenze hinaus weiter zu erbringen. Diese Massnahme hätte eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung zur Folge, da sie unterschiedslos alle medizinischen Leistungen trifft und zu einer Einschränkung der guten solidarisch finanzierten medizinischen Versorgung für alle führt. Diese Einschränkung des gesetzlichen Anspruchs der Versicherten auf medizinische Behandlungen würde alle Patientinnen und Patienten treffen, insbesondere aber finanziell schwächer gestellte und mehrfach Erkrankte. Heute ist die uneingeschränkte medizinische Behandlung im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung per Gesetz allen Menschen in der Schweiz zugesichert. Es ist zu hoffen, dass im weiteren parlamentarischen Prozess verhindert wird, dass Artikel 47c das Sozialziel gefährdet und das Versicherungsprinzip in der Verfassung verletzt, um auch in Zukunft allen Versicherten die für ihre Gesundheit notwendige Behandlung zu ermöglichen.
Neue Massnahmen zuerst evaluieren, bevor man tiefgreifende neue Eingriffe beschliesst
Erst gerade wurden Steuerungsmassnahmen zur Kostendämpfung und Sicherung der Behandlungsqualität im Krankenversicherungsgesetz verankert. Dies ist einerseits der Qualitätsartikel 58 KVG und 2/2 die Zulassungsbeschränkung der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte. Ersterer verhindert Fehl- und Überversorgung durch Qualitätsvorgaben, letzterer legt unter anderem Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte fest. Die Massnahmen sind noch nicht umgesetzt und ihre Wirkung kann noch nicht evaluiert werden. Es ist dringend angezeigt, dass zuerst Erfahrungswerte abgewartet und ausgewertet werden, bevor man neue und zudem tiefgreifende Eingriffe ins Gesundheitswesen vornimmt.
Sinnvolle Kostendämpfungsmassnahmen fördern und vorantreiben
Es gibt bessere Massnahmen zur Kostendämpfung, die einen breiten Konsens haben und die Patientenversorgung nicht einschränken. So ist die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen EFAS in der Beratung im Parlament bereits weit fortgeschritten. Die Vorlage verspricht deutlich höheres Sparpotential als die Vorlagen zur Budgetierung und wird von einer überwältigenden Mehrheit der Akteure im Gesundheitswesen unterstützt. Mit EFAS würde nicht nur die Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen gefördert, sondern auch die interprofessionelle Zusammenarbeit. Daraus resultieren Ersparnisse, direkt den Versicherten zugutekommen. Heute besteht ein bedeutender Fehlanreiz zu Gunsten teurer und belastender Spitalbehandlungen, weil ambulante Behandlungen voll über die Prämien finanziert werden, während stationäre Leistungen über die Steuern mitfinanziert werden. Weiter setzt sich die FMH für die Reduktion von administrativen Arbeiten ein, welche den Patientinnen und Patienten nicht zugutekommen.
Wichtig ist auch die Stärkung der kostengünstigen ambulanten Praxismedizin. Ein zentraler Pfeiler dafür ist ein adäquater ausgewogener und zeitgemässer ambulanter Arzttarif. Mit dem TARDOC liegt ein solcher zur Genehmigung durch den Bundesrat bereits vor.
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