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Lohnt sich der Einstieg und für wen?

Johannes Eschmann, Dental Tribune Schweiz

Johannes Eschmann, Dental Tribune Schweiz

Do. 21 Januar 2010

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ZÜRICH – Ein Gang über die Internationale Dental-Schau 2009 in Köln oder über die heuer stattgefundene  Wiener Dentalausstellung bestätigte eindrucksvoll die Fortschritte in der CAD/CAM Dentistry. Für die  Zahnärzte in der Privatordination stellt sich die Frage: Wie auf diese Entwicklung reagieren? Lohnt sich der  Einstieg und für wen? Dazu befragten wir Prof. Dr. Dr. Albert Mehl, stellvertretender wissenschaftlicher Leiter der Station für computergestützte restaurative Zahnheilkunde, ZZMK Universität Zürich.

Dental Tribune: Die meisten Misserfolge bei der konventionellen Technik erfolgen wegen Fehlern bei  der Abformvorbereitung (mangelnde Darstellung der Präparationsgrenzen, mangelnde Trockenlegung). Aufgrund maschineller Anmischtechnik (Kartuschensysteme, Penta-Mix u.ä. Mischautomaten) sind  materialbedingte Fehler selten und fehlerlose Abformungen ergeben auch bei konventioneller Technik  passgenaue Restaurationen. Welche Vorteile bieten CAD/CAM-Systeme einem Zahnarzt in der  Ordination?
Prof. Dr. Dr. A. Mehl: Durch die Herstellung von Zahnrestaurationen in der gleichen Sitzung wie die  Präparation (Chairside- Methode) lassen sich Behandlungszeiten reduzieren. Die Anfertigung eines  Provisoriums  erübrigt sich und die für den Patienten manchmal mit Einschränkungen des Kaukomforts oder der Ästhetik verbundene Tragezeit entfällt. Infolge der Adhäsivtechnik ist aufgrund der minimalinvasiven Präparation oftmals auch keine ausreichende Retention für ein Provisorium vorhanden. Weiterhin zeigen neueste Untersuchungen eine bessere Verklebung zum Zahn bei frisch  angeschliffenem Dentin und Schmelz. Die computergestützte Fräs- und Schleifbearbeitung ermöglicht  den Einsatz von Materialien mit hoher Güte, die industriell unter optimalen Bedingungen gefertigt werden und damit längere Überlebenszeiten aufweisen als konventionell gefertigte Restaurationen. Dies wurde in vielen wissenschaftlichen Studien bereits ausreichend dokumentiert. Insgesamt bietet  die Chairside-Variante durch die Kombination aus Zeitersparnis, Kostenreduktion und gleichzeitiger Qualitätssteigerung bei den  Restaurationen eine interessante Perspektive für die moderne Zahnmedizin. Dies bezieht sich in erster  Linie auf Einzelzahnrestaurationen, wobei auch schon für Brücken mit kleineren Spannweiten in Zukunft interessante Möglichkeiten zu erwarten sind.

Prof. Albert Mehl Die Zeitdauer für eine digitale Abformung ist ähnlich lang wie bei herkömmlicher Technik, die  Vorbereitung ebenso aufwendig, teilweise sogar aufwendiger (Puderung). Wie sollte sich die –  erhebliche – Investition in eine digitale Abformtechnik amortisieren?
Betrachtet man Konzepte, bei denen nach digitaler Abformung die entsprechenden Daten per Internet zu  einer dezentralen Fertigung geschickt werden, so ist es richtig, dass die Zeitdauer in der gleichen  Größenordnung  liegt wie bei der herkömmlichen Abformtechnik. Es ist bisher auch nicht geklärt, und  entsprechende Untersuchungen laufen jetzt gerade erst an, inwieweit die Genauigkeiten der  Digitaltechnik mit denen der konventionellen Abformtechnik (inkl. Modellherstellung) insbesondere bei  größeren Spannweiten vergleichbar sind. Davon wird auch die weitere Ausbreitung dieser Konzepte  abhängen. Erste Anwendererfahrungen und Vorstudien zeigen, dass dies möglich erscheint. Die  Digitalisierung würde dann auch für andere Bereiche wichtige Vorteile bieten: nicht nur für die  computergestützte Herstellung von Zahnersatz ist das 3-D-Modell wichtig, sondern auch für jede Art der  Diagnostik, wie z.B. eine exakte dreidimensionale Bestimmung von Zahnwanderungen, eine  Archivierung der Bezahnung und die Dokumentation von 3-D-Veränderungen am Zahn und in der  Mundhöhle. Eine Amortisation wird daher in Zukunft von den Firmen sicher in folgender Weise  angedacht  werden: Weitergabe der Kosteneinsparung bei der automatisierten CAD/CAM-Produktion  von Zahnrestaurationen im Fertigungszentrum, Nachrüstungsmöglichkeit mittels Software und  speziellen Systemen für die Chairside-Fertigung von einzelnen Zahnrestaurationen und die Erweiterung  auf Diagnose- und Planungssoftware (Kombination mit digitalem 3-D-Röntgen, Implantatplanung, Austausch unter Fachgruppen in Form der Telemedizin etc). Das enorme Potenzial der digitalen  Abformtechnik wurde von den Firmen erkannt und dementsprechend wird auch intensiv entwickelt.  Wenn Qualität und Umsetzbarkeit in der praktischen klinischen Tätigkeit nachgewiesen sind, ist dann  auch die Amortisierung kein Thema mehr.

Wie werden die ästhetischen Nachteile bei einer einzeitigen Versorgung (CEREC/E4D) in Zukunft gelöst  werden können?
Nachträgliche Bemalungen sind eine Krücke. Die Bemalung nutzt sich relativ schnell ab. Anspruchsvolle  sthetische Versorgungen im Frontzahnbereich sind bei einzeitigem Vorgehen schwierig  nd nur mit viel Erfahrung umzusetzen. Hier wird man in der Regel nach wie vor auf eine  manuell geschichtete Verblendung zurückgreifen. Ästhetisch befriedigende Ergebnisse kann man aber  bereits mit farblich abgestuften Blöcken (mehrere Farben in aufeinanderfolgenden Schichten) erzielen. Verbesserung ist bei solchen Blöcken insofern zu erwarten, dass die Form und Lage der Schichten  optimiert wird und die Software die Restauration so im Block positioniert, dass der Farbeffekt optimal  wird. Hier bietet sich dann zur Standardisierung zum Beispiel auch ein Einsatz von Farbmess-Systemen an.

Vernetzung digitale Farbmess-Systeme mit CAD/CAM-Herstellungsprozessen?
Dies ist ein interessanter Aspekt und diese Vernetzung wird auch kommen. Für mich liegt hier ein  weiterer großer Vorteil der CAD/CAM-Technik: Durch standardisierte Berechnungsverfahren lassen sich  für jede gewünschte gemessene Farbe/ Farbverteilung die idealen Gerüst-/Verblendungsschichtstärken berechnen, und dies individuell für jede Materialkombination und  Restaurationsform. Voraussetzung ist jedoch eine systematische Analyse dieser möglichen  Kombinationen und der daraus entstehenden Farbeffekte in Form von groß angelegten Versuchsreihen.  ies steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus. 

Wird die Zeitersparnis für den Herstellungsprozess nicht durch Wege und Zeit: Praxis – Fräszentrum –  Labor – Praxis aufgehoben?
Dies ist richtig und sicherlich ein Nachteil der dezentralen Fertigung. Der Vorteil ist jedoch, dass sich  solche Zentren Investitionen in hochqualitative und hochpräzise Fertigungsmaschinen leisten können.  Diese Maschinen werden von spezialisiertem Personal betreut und können damit einen hohen  Durchsatz gewährleisten. Die Vorratshaltung an verschiedenen Materialien inklusive unterschiedlicher Farben sowie an Implantatsystemen ist ebenfalls einfacher und wirtschaftlicher. Unter dem Strich sind  dann die Produktionskosten bei gleichzeitig (theoretisch) überragender Qualität sehr gering. Der Vorteil  Kosten und Qualität muss also gegenüber dem Nachteil Zeitfaktor abgewogen werden. Einschätzung: Für größere Restaurationen wie Brücken oder Implantataufbauten wird auf jeden Fall die dezentrale Fertigung in der Zahnmedizin eine zentrale Rolle spielen. 

Die ersten Computersysteme für Zahnärzte waren Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre teure  Minicomputer (Vax), die sich nie amortisiert haben. Wie wird das bei CAD/CAM sein? Wie sehen Sie die Preisentwicklung? Wie schnell erfolgen Generationenwechsel?
Eine Amortisierung des CAD/CAM-Systems hängt immer von den Möglichkeiten und der Indikationsbreite des Systems, aber auch vom Ordinationskonzept und dem Patientenstamm ab (z.B.  wie viele keramische Versorgungen werden durchgeführt bzw. für wie viel ist Potenzial vorhanden). Dies muss im Einzelfall genau analysiert werden. Generell kann man aber sagen, dass wir weit weg sind von  er Einführungsphase und viele CAD/CAMOrdinationen eindrucksvoll bestätigen, dass sich ein  solches System gut amortisiert. Nachdem viele Firmen die CAD/CAM-Technik in den letzten Jahren als  eine der Schlüsseltechnologien der Zahnmedizin entdeckt haben, werden entsprechende Summen in  Forschung und Entwicklung investiert. Dies wird zu einer Beschleunigung der Entwicklung und damit  auch zu einem schnelleren Generationenwechsel führen. Nachdem aber ein großer Anteil des  Know-hows in der Software liegt, können diese Verbesserungen nachträglich einfach aufgespielt und  aktualisiert werden. Veränderungen in der Hardware wird es sicher auch geben, aber mit deutlich  längeren Zeitintervallen. Wer mit dem Gedanken spielt, ein CAD/CAMSystem anzuschaffen, sollte dies weitgehend unabhängig von diesen Überlegungen machen. Wenn nach eingehender Analyse die  Faktoren Indikationsbreite, Bedienerfreundlichkeit, Erfahrungsberichte anderer Kollegen, Wirtschaftlichkeit und wissenschaftliche Anerkennung stimmen, ist ein Eintritt in die CAD/CAM-Welt zum  jetzigen Zeitpunkt sinnvoll. Kurz- bis mittelfristig ist mit keinen nennenswerten Abschlägen in der  Preisentwicklung zu rechnen. Als Wissenschafter schaut man aber auch weit in die Zukunft. Und da bin  ich jedoch davon überzeugt, dass langfristig nach Amortisierung der hohen Entwicklungskosten bei den  Firmen ein großes Preispotenzial nach unten möglich ist. Die Vision ist, dass irgendwann in jeder Zahnarztpraxis ein solches System stehen wird, auch in solchen Ländern, die nicht zu den reichen Staaten gehören, wo dann für die Patienten bezahlbarer hochwertiger Zahnersatz angefertigt werden  kann. Die Computertechnologie hat es vorgemacht und die CAD/CAM-Technik basiert auf nichts  anderem als auf eben jener Computertechnologie.

(Das Interview, das an dieser Stelle gekürzt wurde, erschien in der Dental Tribune Swiss Edition 7+8/2009.)

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