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ZÜRICH – Ein Gang über die Internationale Dental-Schau 2009 in Köln oder über die heuer stattgefundene Wiener Dentalausstellung bestätigte eindrucksvoll die Fortschritte in der CAD/CAM Dentistry. Für die Zahnärzte in der Privatordination stellt sich die Frage: Wie auf diese Entwicklung reagieren? Lohnt sich der Einstieg und für wen? Dazu befragten wir Prof. Dr. Dr. Albert Mehl, stellvertretender wissenschaftlicher Leiter der Station für computergestützte restaurative Zahnheilkunde, ZZMK Universität Zürich.
Dental Tribune: Die meisten Misserfolge bei der konventionellen Technik erfolgen wegen Fehlern bei der Abformvorbereitung (mangelnde Darstellung der Präparationsgrenzen, mangelnde Trockenlegung). Aufgrund maschineller Anmischtechnik (Kartuschensysteme, Penta-Mix u.ä. Mischautomaten) sind materialbedingte Fehler selten und fehlerlose Abformungen ergeben auch bei konventioneller Technik passgenaue Restaurationen. Welche Vorteile bieten CAD/CAM-Systeme einem Zahnarzt in der Ordination?
Prof. Dr. Dr. A. Mehl: Durch die Herstellung von Zahnrestaurationen in der gleichen Sitzung wie die Präparation (Chairside- Methode) lassen sich Behandlungszeiten reduzieren. Die Anfertigung eines Provisoriums erübrigt sich und die für den Patienten manchmal mit Einschränkungen des Kaukomforts oder der Ästhetik verbundene Tragezeit entfällt. Infolge der Adhäsivtechnik ist aufgrund der minimalinvasiven Präparation oftmals auch keine ausreichende Retention für ein Provisorium vorhanden. Weiterhin zeigen neueste Untersuchungen eine bessere Verklebung zum Zahn bei frisch angeschliffenem Dentin und Schmelz. Die computergestützte Fräs- und Schleifbearbeitung ermöglicht den Einsatz von Materialien mit hoher Güte, die industriell unter optimalen Bedingungen gefertigt werden und damit längere Überlebenszeiten aufweisen als konventionell gefertigte Restaurationen. Dies wurde in vielen wissenschaftlichen Studien bereits ausreichend dokumentiert. Insgesamt bietet die Chairside-Variante durch die Kombination aus Zeitersparnis, Kostenreduktion und gleichzeitiger Qualitätssteigerung bei den Restaurationen eine interessante Perspektive für die moderne Zahnmedizin. Dies bezieht sich in erster Linie auf Einzelzahnrestaurationen, wobei auch schon für Brücken mit kleineren Spannweiten in Zukunft interessante Möglichkeiten zu erwarten sind.
Prof. Albert Mehl
Die Zeitdauer für eine digitale Abformung ist ähnlich lang wie bei herkömmlicher Technik, die Vorbereitung ebenso aufwendig, teilweise sogar aufwendiger (Puderung). Wie sollte sich die – erhebliche – Investition in eine digitale Abformtechnik amortisieren?
Betrachtet man Konzepte, bei denen nach digitaler Abformung die entsprechenden Daten per Internet zu einer dezentralen Fertigung geschickt werden, so ist es richtig, dass die Zeitdauer in der gleichen Größenordnung liegt wie bei der herkömmlichen Abformtechnik. Es ist bisher auch nicht geklärt, und entsprechende Untersuchungen laufen jetzt gerade erst an, inwieweit die Genauigkeiten der Digitaltechnik mit denen der konventionellen Abformtechnik (inkl. Modellherstellung) insbesondere bei größeren Spannweiten vergleichbar sind. Davon wird auch die weitere Ausbreitung dieser Konzepte abhängen. Erste Anwendererfahrungen und Vorstudien zeigen, dass dies möglich erscheint. Die Digitalisierung würde dann auch für andere Bereiche wichtige Vorteile bieten: nicht nur für die computergestützte Herstellung von Zahnersatz ist das 3-D-Modell wichtig, sondern auch für jede Art der Diagnostik, wie z.B. eine exakte dreidimensionale Bestimmung von Zahnwanderungen, eine Archivierung der Bezahnung und die Dokumentation von 3-D-Veränderungen am Zahn und in der Mundhöhle. Eine Amortisation wird daher in Zukunft von den Firmen sicher in folgender Weise angedacht werden: Weitergabe der Kosteneinsparung bei der automatisierten CAD/CAM-Produktion von Zahnrestaurationen im Fertigungszentrum, Nachrüstungsmöglichkeit mittels Software und speziellen Systemen für die Chairside-Fertigung von einzelnen Zahnrestaurationen und die Erweiterung auf Diagnose- und Planungssoftware (Kombination mit digitalem 3-D-Röntgen, Implantatplanung, Austausch unter Fachgruppen in Form der Telemedizin etc). Das enorme Potenzial der digitalen Abformtechnik wurde von den Firmen erkannt und dementsprechend wird auch intensiv entwickelt. Wenn Qualität und Umsetzbarkeit in der praktischen klinischen Tätigkeit nachgewiesen sind, ist dann auch die Amortisierung kein Thema mehr.
Wie werden die ästhetischen Nachteile bei einer einzeitigen Versorgung (CEREC/E4D) in Zukunft gelöst werden können?
Nachträgliche Bemalungen sind eine Krücke. Die Bemalung nutzt sich relativ schnell ab. Anspruchsvolle sthetische Versorgungen im Frontzahnbereich sind bei einzeitigem Vorgehen schwierig nd nur mit viel Erfahrung umzusetzen. Hier wird man in der Regel nach wie vor auf eine manuell geschichtete Verblendung zurückgreifen. Ästhetisch befriedigende Ergebnisse kann man aber bereits mit farblich abgestuften Blöcken (mehrere Farben in aufeinanderfolgenden Schichten) erzielen. Verbesserung ist bei solchen Blöcken insofern zu erwarten, dass die Form und Lage der Schichten optimiert wird und die Software die Restauration so im Block positioniert, dass der Farbeffekt optimal wird. Hier bietet sich dann zur Standardisierung zum Beispiel auch ein Einsatz von Farbmess-Systemen an.
Vernetzung digitale Farbmess-Systeme mit CAD/CAM-Herstellungsprozessen?
Dies ist ein interessanter Aspekt und diese Vernetzung wird auch kommen. Für mich liegt hier ein weiterer großer Vorteil der CAD/CAM-Technik: Durch standardisierte Berechnungsverfahren lassen sich für jede gewünschte gemessene Farbe/ Farbverteilung die idealen Gerüst-/Verblendungsschichtstärken berechnen, und dies individuell für jede Materialkombination und Restaurationsform. Voraussetzung ist jedoch eine systematische Analyse dieser möglichen Kombinationen und der daraus entstehenden Farbeffekte in Form von groß angelegten Versuchsreihen. ies steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus.
Wird die Zeitersparnis für den Herstellungsprozess nicht durch Wege und Zeit: Praxis – Fräszentrum – Labor – Praxis aufgehoben?
Dies ist richtig und sicherlich ein Nachteil der dezentralen Fertigung. Der Vorteil ist jedoch, dass sich solche Zentren Investitionen in hochqualitative und hochpräzise Fertigungsmaschinen leisten können. Diese Maschinen werden von spezialisiertem Personal betreut und können damit einen hohen Durchsatz gewährleisten. Die Vorratshaltung an verschiedenen Materialien inklusive unterschiedlicher Farben sowie an Implantatsystemen ist ebenfalls einfacher und wirtschaftlicher. Unter dem Strich sind dann die Produktionskosten bei gleichzeitig (theoretisch) überragender Qualität sehr gering. Der Vorteil Kosten und Qualität muss also gegenüber dem Nachteil Zeitfaktor abgewogen werden. Einschätzung: Für größere Restaurationen wie Brücken oder Implantataufbauten wird auf jeden Fall die dezentrale Fertigung in der Zahnmedizin eine zentrale Rolle spielen.
Eine Amortisierung des CAD/CAM-Systems hängt immer von den Möglichkeiten und der Indikationsbreite des Systems, aber auch vom Ordinationskonzept und dem Patientenstamm ab (z.B. wie viele keramische Versorgungen werden durchgeführt bzw. für wie viel ist Potenzial vorhanden). Dies muss im Einzelfall genau analysiert werden. Generell kann man aber sagen, dass wir weit weg sind von er Einführungsphase und viele CAD/CAMOrdinationen eindrucksvoll bestätigen, dass sich ein solches System gut amortisiert. Nachdem viele Firmen die CAD/CAM-Technik in den letzten Jahren als eine der Schlüsseltechnologien der Zahnmedizin entdeckt haben, werden entsprechende Summen in Forschung und Entwicklung investiert. Dies wird zu einer Beschleunigung der Entwicklung und damit auch zu einem schnelleren Generationenwechsel führen. Nachdem aber ein großer Anteil des Know-hows in der Software liegt, können diese Verbesserungen nachträglich einfach aufgespielt und aktualisiert werden. Veränderungen in der Hardware wird es sicher auch geben, aber mit deutlich längeren Zeitintervallen. Wer mit dem Gedanken spielt, ein CAD/CAMSystem anzuschaffen, sollte dies weitgehend unabhängig von diesen Überlegungen machen. Wenn nach eingehender Analyse die Faktoren Indikationsbreite, Bedienerfreundlichkeit, Erfahrungsberichte anderer Kollegen, Wirtschaftlichkeit und wissenschaftliche Anerkennung stimmen, ist ein Eintritt in die CAD/CAM-Welt zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll. Kurz- bis mittelfristig ist mit keinen nennenswerten Abschlägen in der Preisentwicklung zu rechnen. Als Wissenschafter schaut man aber auch weit in die Zukunft. Und da bin ich jedoch davon überzeugt, dass langfristig nach Amortisierung der hohen Entwicklungskosten bei den Firmen ein großes Preispotenzial nach unten möglich ist. Die Vision ist, dass irgendwann in jeder Zahnarztpraxis ein solches System stehen wird, auch in solchen Ländern, die nicht zu den reichen Staaten gehören, wo dann für die Patienten bezahlbarer hochwertiger Zahnersatz angefertigt werden kann. Die Computertechnologie hat es vorgemacht und die CAD/CAM-Technik basiert auf nichts anderem als auf eben jener Computertechnologie.
(Das Interview, das an dieser Stelle gekürzt wurde, erschien in der Dental Tribune Swiss Edition 7+8/2009.)
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