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FRANKFURT AM MAIN – Stephan Domschke kam im Mai 2016 zu Glidewell Europe, betreut heute als Managing Director die noch junge Tochter von Glidewell Laboratories. Über 25 Jahre in der Dental- und Medizinbranche bringt der geborene Berliner mit, studierte zunächst BWL und absolvierte danach eine Lehre als Zahntechniker. In führenden Positionen bekannter Dentalunternehmen eignete er sich schnell das Know-how in den Bereichen CAD/CAM und dentale Implantologie an. Zuletzt baute er als Geschäftsführer von Phibo Germany das Deutschlandgeschäft des spanischen Implantatherstellers auf. Im Interview spricht Stephan Domschke über seinen bisherigen Lebensweg und erklärt, wie Glidewell Europe hochqualitative Produkte und Leistungen zu erschwinglichen Preisen nach Europa bringen will.
Herr Domschke, als geborener Berliner führte der Weg erst über einen kleinen Umweg zur Dentalindustrie. Warum?
Stephan Domschke: Als Westberliner vor der Mauer konnte man sich gar nicht vorstellen, aus Berlin wegzugehen. Mein Traum war es eigentlich Zahnmedizin zu studieren, allerdings gab es viel zu wenige Studienplätze. Um Wartesemester zu sammeln, studierte ich BWL, wenn auch nur widerwillig. Damals empfand ich Zahlen als nicht spannend, heute beschäftige ich mich den ganzen Tag damit.
Ihr Interesse an Zähnen unterstützte auch Ihr Nachbar?
Mein Nachbar war Zahnarzt. Ich machte ein Praktikum bei ihm, schaute mir das Labor an und bekam dann von ihm den Tipp, doch in Richtung der Zahntechnik zu gehen, wenn es so schnell mit der Zahnmedizin nicht klappt. Ich wollte eigentlich schon immer etwas mit Zähnen machen. Das hatte bei mir gar keinen familiären Hintergrund, sondern die Faszination für Zähne war schon früh bei mir da. Ich arbeite gerne mit den Händen, finde Zähne schön und war so schnell in der Branche, ohne noch einmal studieren zu müssen.
1989 schloss ich meine Zahntechnikerausbildung ab. Obwohl es noch keine 30 Jahre her ist, lernten wir damals noch nach den klassischen Methoden. Modellieren, wachsen, einbetten und gießen waren meine täglichen Aufgaben. Damals war ja die Computertechnologie noch gar nicht vorstellbar. Niemand hatte einen Computer, selbst Rechnungen und meine Bewerbungen erstellte ich noch mit der Schreibmaschine.
Dabei lernten Zahntechniker schon damals sehr viel. Die aktuelle Ausbildung entspricht in vielerlei Hinsicht einem Studium.
Ja, der Zahntechniker wird aus meiner Sicht von unserer Gesellschaft unterbewertet. In unserer Ausbildung beschäftigen wir uns mit der kompletten Bandbreite der Zahnmedizin. Wir sprechen mit vielen Zahnärzten auf Augenhöhe, zumindest, was der prothetische Aspekt betrifft. Der Austausch ist sehr wichtig, wir müssen gemeinsam planen.
Nach einiger Zeit in verschiedenen Laboren entschieden Sie sich dann für die Industrie. Warum?
Das war auch eine finanzielle Entscheidung. Die Arbeit als Zahntechniker machte mir Spaß, in verschiedenen Laboren lernte ich schnell dazu. Doch viele Zahntechniker suchten nach der Gesundheitsreform ihr Heil in der Meisterschule und Selbstständigkeit, ohne anschließend wirklich ökonomisch arbeiten zu können. Die Entscheidung für und gegen eine teure Meisterausbildung ist immer schwierig. Schließlich bekam ich das Angebot von Heraeus Kulzer, erst in meiner Heimat zu arbeiten und dann in die USA zu wechseln.
Wie waren die ersten Jahre nach der Wende?
Die Aufbaujahre in Brandenburg und Ostberlin waren sehr spannend. Teilweise hatte die Labore in Brandenburg und Ostberlin noch vollkommen andere Vorstellungen von Zahntechnik. In meiner ersten Industriezeit lernte ich vor allem eins: Kommunikation und Beratung. Danach konnte ich ins Ausland, stieg in die internationale Beratung ein und baute für Heraeus Kulzer das Amerikageschäft der Tochter JELENKO auf, einem Hersteller von dentalen Legierungen. In Amerika wird Zahntechnik ganz anders betrieben, vor allem aus wirtschaftlicher und ästhetischer Sicht. In Deutschland suchen wir die exakte und natürliche Kopie des Zahnes, in Amerika ist der weiße Zahn wichtig, schließlich steht dieser für Jugendlichkeit, Erfolg und Reichtum.
Mit Sirona, KaVo, Nobel Biocare und Phibo verfügen Sie über Erfahrung in großen Dentalunternehmen. Können Sie Ihre Eindrücke in ein paar Sätzen zusammenfassen?
Das ist natürlich schwierig, zu viel hat sich in den letzten 15 Jahren getan. Um die Jahrtausendwende änderte sich die Situation in der Zahntechnik ja dramatisch. Viele Labore aus Asien drängten auf den Markt, gleichzeitig kamen erste CAD/CAM-Systeme ins Labor. Diese Mitentwicklung habe ich bei Sirona mitgetragen und somit vor allem sehr anspruchsvolle Zahntechniker vor Ort erstmals von den wirtschaftlichen Vorteilen von CAD/CAM überzeugen können. Früher haben wir als Zahntechniker noch über das CEREC-System gelächelt. Die fertigen Arbeiten hätte damals noch kein Zahnarzt von seinem Zahntechniker akzeptiert. Heute hat sich die CEREC-Software natürlich deutlich weiterentwickelt. Bei KaVo war ich als Bereichsleiter verantwortlich für das Produktmanagement des Everest Systems, damals eines der besten 5-Achsen-Systeme für das Labor. Vor meinem Wechsel als Geschäftsführer bei Phibo war ich vier Jahre bei Nobel Biocare in Köln zuständig für Märkte in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika.
Und nun kehrten Sie mit Glidewell Europe zu den Wurzeln und damit ins Labor zurück?
Glidewell ist sicherlich kein klassisches Labor, sondern verbindet dentale Expertise mit wirtschaftlich-industrieller Produktion. Man muss sich allein die Mitarbeiterzahlen anschauen. Glidewell Europe hatte 2011 drei Mitarbeiter, heute sind es 61 Kolleginnen und Kollegen. Auch wir arbeiten nach der gleichen Maxime wie die Mutter in den USA: Wir wollen den Menschen in Europa erschwinglichen und hochwertigen Zahnersatz anbieten. Dies können wir nur erreichen, indem wir klassische Zahntechnik als Vollsortiment anbieten, die Produktion aber strukturieren und automatisieren. Die CAD/CAM-Technologie und meine CAD/CAM-Erfahrung können hier perfekt eingesetzt werden.
Was bietet Glidewell Europe?
Hier am Standort nutzen wir zunächst klassisches CAD/CAM, scannen also die Modelle, modellieren dann am Bildschirm und fräsen die Restauration aus den Materialien Zirkonoxid, PMMA, Kobalt-Chrom und Titan. Wir haben alles von der 4- bis zur 7-Achsen-Maschine im Haus. Zudem drucken wir im 3-D-Druck verschiedene Modelle. Natürlich nutzen wir IPS e.max für Vollkeramikrestaurationen. Auch mit dem digitalen Erstellen von Modellgüssen haben wir angefangen zu arbeiten. Zudem denken wir über das Laserschmelzen für Metallgerüste nach, also das SLM-Verfahren. Wir fräsen ebenfalls aus PEEK. Wir sind also immer für neue Technologien offen.
Apropos neue Technologie. Jeder spricht über den Intraoralscan. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Der Intraoralscan ist eine sehr sinnvolle Technologie. Scanner wie beispielsweise von 3Shape haben ein Farbmesssystem und eine digitale HD-Kamera integriert. Leider ist ja der digitale Abdruck in deutschen Zahnarztpraxen noch nicht sehr verbreitet. Alle zwei Jahre wird auf der IDS der Intraoralscan als einer der Trends propagiert, so richtig ist es aber noch nicht losgegangen. Allerdings bieten wir schon jetzt Schnittstellen für alle Intraoralscanner an. Der Auftragseingang hält sich aber nach wie vor in Grenzen. Der Zahnarzt hat noch nicht den Nutzen dafür erkannt und wählt lieber die klassische Abformung. Ich hoffe aber, dass der digitale Abdruck sich durchsetzt.
Mit BruxZir bieten Sie ein monolithisches Vollzirkonoxid an. Was sind die Vorteile?
Die Vorteile sind eindeutig die Bruchfestigkeit und das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht immer davon überzeugt war. Die ersten Zirkonmaterialien waren ästhetisch nicht besonders schön, außerdem hart und abrasiv. Aber heute haben wir transluzente Materialien und bieten stabiles Zirkon auch für den Frontzahnbereich an. Bis zum Prämolaren-bereich ist dieses spezielle Anterior Material problemlos einsetzbar. Wir haben außerdem die Möglichkeit, die Oberflächen so dicht zu bekommen, dass die Abrasion am Antagonisten auf ein Minimum reduziert wird. Auch die Flexibilität der Materialien ist größer geworden. Glidewell hat mit der Eigenentwicklung Bruxir eine Eigentechnologie entwickelt, die einzigartig ist. Während alle anderen axial oder isostatisch pressen, bieten wir mit unserem Sedimentationsverfahren ein sehr homogenes und dichtes Material an. Neben Bruxzir bieten wir nun Obsidian, ein Lithiumsilikatmaterial mit außergewöhnlicher Schönheit und Härte.
Glidewell Europe ist in Frankfurt am Main angesiedelt, richtet sich aber an den europäischen Markt?
Richtig, wir bieten unsere Dienstleistungen europaweit an, Aufträge außerhalb von Deutschland halten sich aber noch in Grenzen. Im Moment ist unser Kernmarkt in Deutschland angesiedelt. Bald werden wir das Unternehmen aber weiter internationalisieren. Ich sehe große Chancen im französischen Markt, Österreich, der Schweiz, Spanien und der Region Skandinavien. Ich denke, damit haben wir bereits eine Menge zu tun. Seit kurzem haben wir mit Jason Song einen zweiten Geschäftsführer im Unternehmen. Als Zahntechniker und langjähriger Manager bei Glidewell Laboratories unterstützt er Glidewell Europe und wird die Expansion nach Europa vorantreiben.
Mit Ihrem Marketing sprechen Sie den Zahnarzt an, laden aber gleichzeitig kleine Labore zur Zusammenarbeit ein. Genau diese Labore haben vielleicht die Befürchtung, durch Sie Aufträge zu verlieren. Wie erklären Sie die Zusammenarbeit?
Grundsätzlich sind wir ein klassisches Labor für Zahnärzte. Wer gute Restaurationen zu einem guten Preis haben möchte, kommt zu uns. Bestehende Kunden werden telefonisch intensiv durch uns betreut. Die individuelle Erfüllung von Kundenwünschen und der ständige Kundenkontakt ist mir heute und auch in Zukunft immer sehr wichtig.
Kleine Labore sind dann unsere Kunden, wenn es um Fräsdienstleistungen geht. Einige Labore sagten uns, dass Sie ungern ihre Daten weiterleiten möchten. Allerdings handelt es sich hier um sichere und anonymisierte Daten und wir kennen weder den Zahnarzt noch den Patientennamen. Wir sind Unterstützer und Dienstleister für kleine Labore, bieten die gleichen Leistungen wie die Industrie, aber wir sehen es noch ein Stückchen zahntechnischer.
Niemand sollte vor uns Angst haben, der ein gutes Geschäftsmodell hat. Wir empfehlen umgekehrt auch lokale Labore, wenn wir als großes Labor bestimmte Dienstleistungen nicht erbringen können oder wollen. Wenn der Zahnarzt eine besonders individuell gefertigte Krone mit zwei Besuchen am Stuhl und persönlicher Farbabnahme will, ist das lokale Labor besser und wichtiger. Wir bieten dafür individuell gefertigte Prothesen in entsprechenden Stückzahlen und zu anderen Preisen.
Was sind die wesentlichen Vorteile, wenn Zahnärzte Restaurationsleistungen bei Ihnen beauftragen?
Die generelle Umlaufzeit im Labor beträgt fünf Tage, außer bei implantatgetragenen Prothesen. Bei Kronen und Brücken über den digitalen Upload zum Beispiel von Intraoralscans beträgt die Bearbeitungszeit nur drei Tage. Wir haben den Vorteil, dass wir nicht anonym sind, sondern ansprechbar und vor Ort. Wir bieten gute Lieferbedingungen im europäischen Raum mit sehr guten wirtschaftlichen Bedingungen. Wir produzieren schon für Europa, bieten also für Länder außerhalb Deutschlands auch Auslandszahnersatz, werden aber immer auch vor Ort ein Servicecenter haben, um Arbeiten auch dort anzufertigen.
Wie war Ihr erster Eindruck von Glidewell in Kalifornien?
Erstmals habe ich Glidewell Laboratories 1996 gesehen. Schon damals war das Unternehmen sehr mitarbeiterfreundlich aufgestellt, der Mitarbeiter steht im Fokus. Es gibt Fitnessstudios im Hof, Schichtdienst sowie ein Restaurant. Bei meinem letzten Besuch vor dem Wechsel im Jahr 2002 hatte das Unternehmen rund 1.400 Mitarbeiter in zwei Gebäuden. Heute arbeiten 4.300 Mitarbeiter in zehn Gebäuden und produzieren täglich Tausende Kronen inklusive Versand nur für den amerikanischen Markt. Wir sind ein autark arbeitendes Unternehmen mit eigener Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die selbst Maschinen und Materialien testet. Wir haben eine eigene Polsterei und Möbelschreinerei sowie ein Designcenter.
Glidewell will weiter expandieren. Wohin geht der Weg?
Mit Mexiko und Costa Rica haben wir mittelamerikanische Standorte, mit Chile bauen wir derzeit Südamerika auf. Wir müssen heute lokal vertreten sein und lokal produzieren, sonst verstehen wir den Markt nicht.
Wo kann man als Zahntechniker Glidewell Europe treffen und kennenlernen?
Wir sind nicht mit einem Stand auf der IDS vertreten, sondern durch unseren Partner Henry Schein. Dennoch sind wir persönlich vor Ort und haben einen Meetingraum gemietet, um persönliche Gespräche mit unseren Kunden zu führen. Aktuell spezialisieren wir uns auf Symposien und sprechen dort mit Opinionleadern und unseren Kunden über unsere Lösungen. Wir wollen aber gleichzeitig die Ausbildung fördern, bilden schon jetzt Zahntechniker aus und öffnen unsere Türen für interessierte Besucher. Education ist auch für Glidewell Europe wichtig. Wir haben in Amerika auch ein eigenes Schulungs- und OP-Zentrum, das wir in irgendeiner Form ebenfalls hier etablieren möchten.
Wie lautet abschließend Ihr Appell an die Politik?
Als Steuerzahler und Krankenversicherter bin ich immer relativ sauer, wenn ich sehe, dass Auslandszahnersatz von Krankenkassen bezahlt oder sogar besonders empfohlen wird. Meine Beiträge werden ins Ausland verlagert, gleichzeitig wird über Beitragserhöhungen gesprochen. Ich glaube, dass deutsche Zahntechnik qualitativ hochwertiger und mehr als überlebensfähig ist.
Vielen Dank für das Interview.
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