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100 Jahre UZB: Ein Gespräch mit Prof. Michael Bornstein

Prof. Michael Bornstein über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Zahnmedizin. (Bild: aledesun – stock.adobe.com)
Alina Ion

Alina Ion

Mo. 29 Juli 2024

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Basel – Das UZB Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel feiert im Jahr 2024 seinen 100. Geburtstag. Dieser Anlass wurde am 1. Juni  mit dem Symposium «100 Jahre Universitäre Zahnmedizin in Basel 1924-2024» gebührend zelebriert.

Unter dem Motto «Gestern, heute, morgen – die Zahnmedizin im Wandel» haben namhafte Referierende berichtet, Revue passieren lassen und das Publikum mit den neuesten Errungenschaften vertraut gemacht. Über 250 Gäste aus den Reihen der Universität Basel, der Politik und dem Gesundheitsdepartment Basel sowie zahnärztliche Fachgesellschaften und Zahnärzte aus Basel, Baselland und der ganzen Schweiz sowie 45 Industriepartner folgten der Einladung und erlebten einen Tag voller Fortbildung und Inspiration.

Die Redaktion der Dental Tribune Schweiz nahm diese Gelegenheit wahr, mit Prof. Michael Bornstein, Leiter der Geschäftseinheit Forschung und der Klinik für Oral Health & Medicine über die Vergangenheit und die Zukunft des UZB zu sprechen.

Herr Prof. Bornstein, können Sie uns bitte etwas über das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin (UZB) erzählen und darüber, wie es sich in den letzten 100 Jahren entwickelt hat?
Die Geschichte des UZB ist umfangreich und umfasst Aspekte der Gesundheitspolitik, Stadtgeschichte und Universitätsentwicklung. In aller Kürze lässt sich jedoch sagen, dass der ursprüngliche Gedanke darin bestand, verschiedene Einrichtungen unter einem Dach zu vereinen: die Volkszahnklinik, die Schulzahnklinik und die universitäre Zahnmedizin. Seit 2019 sind diese wieder in einem Gebäude vereint. Früher befand sich die Zahnmedizin in einer historischen Umgebung am Petersplatz, die zwar ästhetisch ansprechend, jedoch nicht funktional war. Der Umzug in ein neues Gebäude hat den Vorteil, dass die digitale Zukunft der Zahnmedizin dort optimal abgebildet werden kann.

Das UZB ist in der Schweiz ein mittelgroßes Universitätszentrum, das in der nationalen Landschaft jedoch eine wichtige Rolle spielt. Größer als Genf, liegt es in Bezug auf die Anzahl der Studierenden manchmal vor und manchmal hinter Bern. Zürich ist das größte Zentrum. Das UZB hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und genießt innerhalb der medizinischen Fakultät zunehmende Anerkennung. Eine der Herausforderungen für alle zahnmedizinischen Studiengänge ist, dass sie keine eigene Fakultät haben, sondern Teil der medizinischen Fakultät sind, was gelegentlich zu Spannungen führt.

In der Geschichte der Basler Universitätszahnmedizin verlief nicht alles reibungslos. Es gab zu Recht oder zu Unrecht, Sparmaßnahmen, die geplant und teilweise umgesetzt wurden. Ende der 1990er Jahre lag das Damoklesschwert über uns und es schien es sogar, als würde die Zahnmedizin in Basel möglicherweise nicht mehr lange existieren.

Wie hat sich die Forschung im UZB entwickelt? Gibt es aktuelle Schwerpunkte, die Sie hervorheben möchten?
Unsere Forschung am UZB ist besonders spannend und einzigartig, da wir uns bemühen, eine ganzheitliche und integrierte Forschungsstrategie zu verfolgen. Diese Vision habe ich aus Asien mitgebracht: Forschung sollte an einer Institution aus einem Guss erfolgen. Dafür braucht es eine klare Strategie, eine Vision und eine enge Vernetzung der Mitarbeitenden, um Silos zu vermeiden.

Nach fünf Jahren haben wir in unseren Laboratorien drei bedeutende Forschungsschwerpunkte entwickelt: Mikrobiologie, Materialkunde und Oral Implantologie. In diesen Bereichen wird exzellente Forschung betrieben. Die Herausforderung der kommenden Jahre besteht darin, diese Bereiche noch stärker mit der klinischen Praxis zu vernetzen und die translationale Forschung weiter zu fördern. Dadurch können wir Schritt für Schritt unsere Position in den Rankings und im Forschungsoutput verbessern.

Der Wettbewerb in der Forschung ist heute sehr intensiv. Wir befinden uns derzeit auf einem guten Niveau, vergleichbar mit der Kreisliga, streben jedoch danach, in der Champions League mitzuspielen. Dies erfordert beträchtliche Anstrengungen und Zeit.
Ähnlich wie bei der Entwicklung eines Medikaments, das von der Laborbank bis zur Marktreife oft zehn Jahre benötigt, braucht auch der Aufbau einer neuen Forschungsstruktur mindestens fünf Jahre. Es ist ein langwieriger Prozess, der Geduld und kontinuierliche Investition erfordert.

Gibt es besondere Meilensteine in der Geschichte des UZB, die Sie nennen möchten?
Ich glaube, es ist nicht immer förderlich, zu weit in die Vergangenheit zu schauen, wenn es um das operative Geschäft geht. Für uns ist ein wesentlicher Meilenstein, dass wir im Sommer 2019 unter einem Dach zusammengekommen sind. Dieser Veränderungsprozess dauert immer noch an und benötigt seine Zeit, aber nach fünf Jahren sind wir bereits weit fortgeschritten.

Früher waren die Standorte getrennt: die Universität war nur die Universität, die Volkszahnklinik war nur die Volkszahnklinik und die Schulzahnklinik war nur die Schulzahnklinik. Dass wir nun alle zusammenarbeiten, ist in der Schweiz einzigartig und eröffnet zahlreiche Chancen. So können wir beispielsweise eine Schulzahnklinik auf universitärem Niveau betreiben. Dieser Zusammenschluss unter einem Dach ist ein besonderer Meilenstein, der uns viele neue Möglichkeiten bietet und unsere Position im Bereich der Zahnmedizin stärkt.

Sie haben beim Jubiläumsevent über Künstliche Intelligenz (KI) referiert. Könnten Sie uns etwas darüber berichten? Wie ist der aktuelle Stand und was ist Ihre Prognose für die nächsten Jahre?
KI ist ein Thema, das uns noch lange begleiten wird. Ich denke, in Zukunft wird die digitale Zahnmedizin als eigenes Schwerpunktgebiet angeboten werden. Dies wirft die Frage auf, wie lange die traditionellen Lehrstühle wie Konservierende Zahnheilkunde, Parodontologie, Prothetik oder Chirurgie in ihrer jetzigen Form bestehen bleiben. Mit der personalisierten Zahnmedizin sollte eigentlich das Gewicht der chirurgischen Fächer abnehmen.
Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, ist jede chirurgische Maßnahme ein Misserfolg, wenn man die personalisierte und präventive Zahnmedizin zu Ende denkt. Denn wenn eine Operation notwendig wird, bedeutet das, dass die präventiven Maßnahmen versagt haben, sei es durch das Nicht-Erkennen eines Risikopatienten oder das Versäumnis, eine Pathologie frühzeitig zu diagnostizieren.

Diese Vorstellung ist derzeit jedoch utopisch. Ich denke nicht, dass ich das noch erleben werde, und ob es meine Kinder erleben, bleibt fraglich. Aber ohne den Antrieb und die Begeisterung für Innovation gäbe es keine Forschung und keine Universitäten. Die Freude an neuen Entwicklungen setzt Endorphine frei und treibt uns voran.

Aktuell wird KI hauptsächlich als Unterstützung in der Diagnostik eingesetzt. Alles andere, wie das Verfassen radiologischer Berichte oder den Einsatz von KI-generierten Softwarelösungen im Praxisbetrieb, ist noch weit entfernt. Die Idee ist da, und vielleicht wird es eines Tages so weit kommen, dass sich Berufsprofile ändern und beispielsweise Zahntechniker neue Aufgabenfelder entdecken.
Ich glaube jedoch nicht an eine dystopische Zukunft, in der Maschinen unsere Arbeit vollständig übernehmen und uns arbeitslos machen. Die Zahnmedizin erfordert nach wie vor handwerkliches Geschick und direkte Arbeit am Patienten, was KI nicht ersetzen kann. Jede technologische Entwicklung führt zu neuen, unerwarteten Feldern und Herausforderungen. So bleibt unser Handwerk in der Zahnmedizin weiterhin essenziell und unverzichtbar.

KI entwickelt sich in der Tat rasant. Derzeit hat man den Eindruck, dass sie in aller Munde ist?
Das ist richtig, dies birgt jedoch Gefahren, denn zwischen Hype und tatsächlicher Anwendung besteht ein Unterschied. Es gibt noch viele offene Fragen. Wenn man ehrlich ist, haben die Menschen in der Filmindustrie erst vor einem Jahr gestreikt, weil sie befürchteten, dass Hollywood durch KI ersetzt wird. So weit sind wir jedoch noch nicht. Ich sage nicht, dass dies in 20 Jahren nicht möglich sein könnte, aber derzeit beschleunigen sich die Innovationen auf diesem Gebiet tatsächlich.

Ich habe zuvor von 5 bis 10 Jahren gesprochen, aber es ist durchaus möglich, dass KI solche Prozesse beschleunigen kann. Auch die Forschung kann durch den Einsatz von KI beschleunigt werden. Große Pharmaunternehmen nutzen KI bereits aktiv in ihrer Forschung, allerdings nur für bestimmte Fragestellungen und als Hilfsmittel, weil Superprozessoren und schnelle Rechner enorme Rechenleistungen erbringen können. Ein Supercomputer kann in einer Sekunde Berechnungen durchführen, für die Menschen Millionen Jahre benötigen würden.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass KI eine ähnliche Rolle spielen könnte wie das Auto im Vergleich zum Wandern. Man kann natürlich von A nach B wandern, aber mit einem Auto erreicht man das Ziel in einer halben Stunde. So kann KI Prozesse erheblich beschleunigen und effizienter gestalten.

Was ist Ihr Fazit?
Ich denke, es ist wichtig, diesen besonderen Anlass zu würdigen. 100 Jahre feiert man nicht häufig, und normalerweise kennt man solche Jubiläen eher aus dem familiären Bereich. Dass wir dies nun an unserem Arbeitsort feiern können, ist außergewöhnlich.
Für die Zukunft hoffe ich auf eine stetige, positive Entwicklung in den nächsten 50 Jahren. In den vergangenen 100 Jahren gab es stets Höhen und Tiefen – ein typisches Muster für jede Universitätsklinik. In Basel habe ich das als Student selbst miterlebt, besonders während der Abschaffungsinitiative, die damals wie aus dem Nichts kam. Solche Erfahrungen prägen und sind spürbar, wenn man direkt betroffen ist.
Durch die harte Arbeit und das Engagement aller Mitarbeitenden am UZB hoffe ich, dass solche Tendenzen in den nächsten 50 Jahren der Vergangenheit angehören. Beim 150-jährigen Jubiläum sollten wir stolz darauf zurückblicken können, dass wir lokal, national und international viel erreicht haben.

Abschließend möchte ich betonen, dass für den Erfolg eines universitären Standorts immer drei „I“ entscheidend sind: innovativ, interdisziplinär und international. Diese drei Elemente zusammen ergeben einen bedeutenden Impact – die drei „I“ plus „I“ für Impact. Nur so können wir weiterhin erfolgreich sein und unsere Stellung festigen.

Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch, Herr Prof. Bornstein!

Redaktionelle Anmerkung:

Quelle: Dental Tribune Schweiz 5/24

Prof. Dr. Michael Bornstein
Klinikleiter und Professor der universitären Zahnkliniken Basel UZB
Klinik für Oral Health & Medicine
Mattenstrasse 40
4058 Basel
Tel.: +41 (0)61 267 25 45
michael.bornstein@uzb.ch
www.uzb.ch

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