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Mundgesundheit bei Betagten: Gespräch mit Dr. med. dent. Bettina von Ziegler

Das Thema Mundgesundheit bei Betagten rückt zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Dr. med. dent. Bettina von Ziegler im Interview mit Majang Hartwig-Kramer, Redaktionsleitung Dental Tribune Schweiz. © PictureArt – Fotolia
Majang Hartwig-Kramer, Dental Tribune Schweiz.

Majang Hartwig-Kramer, Dental Tribune Schweiz.

So. 28 Februar 2016

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BERN – Das Thema Mundgesundheit bei Betagten rückt zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit – bedingt auch durch den demografischen Wandel in der Gesellschaft. Dr. med. dent. Bettina von Ziegler, Leiterin der Taskforce Alterszahnmedizin der SSO, im Interview mit Majang Hartwig-Kramer, Redaktionsleitung Dental Tribune Schweiz.

Bis 2030 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in der Schweiz auf bis zu 230'000 ansteigen – eine Herausforderung, der sich die ganze Gesellschaft stellen muss. Auch die Zahnärzte sind gefordert, das Thema in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit zu rücken.

Dental Tribune: Zahlreiche Anstrengungen der vergangenen Jahre, die Mundgesundheit der Betagten und Pflegebedürftigen zu verbessen, haben nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt. Worin sehen Sie die Ursachen?

Dr. Bettina von Ziegler: Es bringt nichts, wenn die Zahnärzteschaft von Heimleitungen, Pflegenden, Spitex etc. fordert, wie sich diese bezüglich Alterszahnpflege korrekt verhalten sollen. Es braucht ein Konzept, welches in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten erarbeitet wird. Die SSO hat deshalb im Mai 2014 einen runden Tisch einberufen. Unterdessen wird in einer kleinen Arbeitsgruppe ein Strategiepapier „Mundgesundheit von älteren Menschen“ erarbeitet. In einer ersten Runde beschränkt sich diese Arbeitsgruppe auf Pflegebedürftige in Institutionen, danach werden wir Empfehlungen für Betagte erarbeiten, die noch zu Hause wohnen können.

Der Zusammenhang von Mundhygiene und Allgemeingesundheit ist hinlänglich bekannt. Sollten Hausärzte ihre älter werdenden Patienten verstärkt sensibilisieren oder gar direkt mit den Zahnmedizinern zusammenarbeiten?

Der Zusammenhang ist den wenigsten bewusst. Wir sind daran, auf allen Ebenen verstärkt zu sensibilisieren. Das betrifft aber nicht nur die Hausärzte, sondern auch Pflegepersonal, Heimleitungen und Politiker.

Polypharmazie ist ebenfalls ein Stichwort in der Alterszahnheilkunde. Wäre ein Medikamentenfragebogen beim Zahnarzt ein praktikabler Ansatz?

In der Regel fragt jeder Zahnarzt bei einer Anamnese nach, welche Medikamente eingenommen werden. Bei jüngeren Patienten vor jedem neuen Recall einen ausführlichen Medikamentenfragebogen ausfüllen zu lassen, geht wohl zu weit. Aber bei älteren Patienten wäre dies sicher sinnvoll.

Zu unterscheiden sind sicherlich der noch selbstständig agierende und der auf fremde Hilfe angewiesene ältere Mensch. Hat die Dentalindustrie den alternden Menschen und dessen Bedürfnisse hinsichtlich Mundhygiene schon im Fokus?

In Bezug auf die Dentalindustrie kann ich diese Frage nicht beantworten, wohl aber aus Sicht der Zahnärzteschaft. Die SSO hat in den vergangenen Jahren bereits punktuelle Projekte in der Alterszahnmedizin umgesetzt, so zum Beispiel die Aktion Mundgesundheit und die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft zur zahnmedizinischen Betreuung Behinderter und Betagter SGZBB.

Wie kann gewährleistet werden, dass in Pflegeinstitutionen betreute Senioren ausreichend zahnmedizinisch versorgt werden? Muss hier nicht vor allem das Pflegepersonal geschult werden?

Das Pflegepersonal spielt eine ganz zentrale Rolle. Wir werden in diesem Frühjahr ein neues „Handbuch der Mundhygiene bei unselbstständigen Betagten in Pflegeeinrichtungen“ herausgeben. Es enthält Anleitungen und Checklisten zur Mundpflege bei betagten Menschen. Für die Schulung des Pflegepersonals werden auch Pilotprojekte von zahnmedizinischen Kliniken sowie Kurse der Swiss Dental Hygienists durchgeführt.

Wären Kurse zur Mundpflege im Alter ein sinnvolles Angebot an die Betagten und wer sollte diese durchführen?

Ich bin der Ansicht, dass diese Aufgabe bei selbstständigen Senioren den privaten Zahnärzten und ihrem Team – bestehend aus Dentalassistentinnen, Prophylaxeassistentinnen und Dentalhygienikerinnen – überlassen sein sollte. Sie begleiten ihre Patienten oft über viele Jahre hinweg und können diese auf die Bedeutung der Mundpflege hinweisen und instruieren.

Die SSO hat unlängst ihr „Konzept Alterszahnmedizin“ vorgestellt und eine Taskforce gebildet, der Sie vorstehen. Welche Ziele verfolgen Sie und welche Massnahmen sind angedacht bzw. schon angelaufen?

Die SSO setzt sich zum Ziel, dass die Gesundheit, das orale Wohlbefinden und die Kaufähigkeit von pflegebedürftigen Menschen erhalten werden. Die Lebensqualität darf nicht durch eine schlechte Mundgesundheit zusätzlich eingeschränkt werden. Zu den Massnahmen gehören die Publikation des erwähnten Handbuchs der Mundhygiene sowie die Einberufung des „runden Tisches“. Des Weiteren soll die Verpflichtung zur Betreuung alter Menschen in der SSO-Standesordnung verankert werden, analog zur Betreuung von Kindern durch die Schulzahnpflege. In der Schweizer Ärztezeitung konnten wir einen Artikel zur Mundgesundheit bei älteren Patienten publizieren. Und bei Curaviva (Verband Heime und Institutionen Schweiz) konnten wir das Themendossier „Zahnmedizinische Betreuung in Pflegeheimen“ platzieren.

Gibt es schon erste Reaktionen auf das Engagement der SSO hinsichtlich der Alterszahnmedizin und welche Vorhaben sind in den nächsten Monaten geplant?

Wir haben sowohl seitens unserer Mitglieder wie auch von der Ärzteschaft und Pflege- und Spitexverbänden positive Reaktionen erhalten. Die Arbeitsgruppe des „runden Tisches“ wird das Strategiepapier „Mundgesundheit von älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen“ fertig formulieren und die Taskforce wird dessen Umsetzung in Angriff nehmen.

Frau Dr. von Ziegler, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. 

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