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Laser Kongress 2010 – vom „Freak“ zur Evidenz

Dr. Chantal Riva und Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Hermann F. Sailer besuchten den Laser Kongress 2010. (Foto: Johannes Eschmann)
Dr. med. dent. Bendicht Scheidegger

Dr. med. dent. Bendicht Scheidegger

Do. 16 Dezember 2010

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ZÜRICH - Jubiläumskongress „50 Jahre Laser“ der SGOLA, Schweizerische SSO-Fachgesellschaft für orale Laserapplikationen, mit über 150 Teilnehmern und internationalen Referenten am 26. und 27.11.2010 im Hotel Marriott in Zürich.

Grundlagen der Lasertheorie und -anwendung
Am ersten Tag standen Work­shops für Laseranwendung in Chirurgie, Parodontologie, Endodontie und Kavitätenpräparation sowie die Ausbildung zum „Sachverständigen für Laserschutz SGOLA“ auf dem Programm.

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Der Laserschutzbeauftragte ist verantwortlich für die Einhaltung der Laserschutzrichtlinien in der Praxis, welche von SUVAPro vorgegeben sind. 25 Teilnehmer haben sich entschlossen, ohne staatlichen Zwang vertieft in die Materie einzusteigen. In der Schweiz braucht es zum Betrieb eines Lasers keine spezielle Bewilligung, wie dies z.B. in Deutschland der Fall ist. Trotzdem lohnt es sich, die Wirkungsmechanismen des Lasers zu verstehen. So sind die Eigenschaften des in der Natur nicht vorkommenden kohärenten Lichts einerseits spannend und andererseits erforderlich zur adäquaten Wahl der Parameter. Um die gewünschte Wirkung auch im Ziel und nicht daneben zu entfalten muss bekannt sein, mit welchem Kaliber (Wellenlänge) auf was (welches Gewebe) geschossen wird, um Kollateralschäden zu vermeiden.

Der erste Teil des Kurses, geleitet von Dr. Jörg Meister, Physiker am Universitätsklinikum TH Aachen, widmete sich der Laserphysik. Das Werk des „Berners“ Albert Einstein über Absorptions- und Emissionsmechanismen ebnete T. H. Maimann den Weg zum ersten Rubinlaser 1960. In nur vier Jahren wurden mit Ausnahme des Er:YAG-Lasers (1975) alle bis dato zahnmedizinisch relevanten Lasertypen entwickelt. Die Eigenschaft des Lichts als elektromagnetische Transversalwelle lässt es mit den drei typischen Komponenten eines Lasers zu, Licht einer einzigen Wellenlänge so zu produzieren, dass die Lichtwellen in Phase schwingen, also alle gleichzeitig ihr Phasenmaximum und -minimum erreichen, was mit „Kohärenz“ bezeichnet wird. Diese Komponenten sind:

1. Pumpquelle, zum Beispiel Gasentladung oder elektrische Entladung;
2. Laseraktives Medium, zum Beispiel Gase, Flüssigkeiten, Festkörper, Halbleiter (Dioden);
3. Optischer Resonator (Spiegel).

Mit kohärentem Licht kann auf eine bestimmte Struktur ganz gezielt hohe Energie übertragen werden, was die Wirkung des Lasers (Light Amplification by Stimulated Emission) ausmacht. Nebst der Erschliessung neuer Wellenlängen (also neuen laseraktiven Medien) wurde durch die Erhöhung der Pulsfrequenz und die Verkürzung der Pulslängen bis in den Femto­sekundenbereich das Spektrum der Laserverwendung erweitert. (Eine Femtosekunde entspricht 10–15 Sekunden, man stelle sich vor: in dieser Zeit hat das Licht den Durchmesser eines Haares durchquert.)

Da Laserlicht nur eine Wellenlänge enthält, wirkt dieses sehr individuell auf unterschiedliche Moleküle. So wird für die Bearbeitung von Zahnhartsubstanz eine andere Wellenlänge gefordert als für Weichteilchirurgie oder Taschen- bzw. Wurzelkanaldesinfektion, da die Absorptionsmaxima, d.h. die beste Energieaufnahme, der verschiedenen Stoffe (Moleküle) bei unterschiedlichen Wellenlängen liegen. Diese stoffspezifischen Absorptionswerte können für unterschiedliche Wellenlängen um den Faktor 100 bis 1’000 variieren, was einerseits die Erkenntnis nach sich zieht, dass es den Universallaser nicht geben kann, sondern jeder Laser (jede Wellenlänge) für die eine Anwendung eher geeignet ist als für die andere. Die zweite Erkenntnis daraus ist, dass die Veränderung der Parameter auf dem Laser nur im Wissen auf die zu erwartende Wirkung durchgeführt werden sollte. Um die Wirkung und Nebenwirkung zu verstehen, ist die Grösse der Eindringtiefe relevant. Die Eindringtiefe ist erreicht, wenn nur noch ca. 1/3 der applizierten Strahlung vorhanden ist. Je grösser die Absorption eines Gewebes, umso kleiner ist die Eindringtiefe und umgekehrt. Die Absorption von Wasser ist für die Wellenlänge eines CO2-Lasers etwa 1’000 Mal höher als für die Wellenlänge eines Diodenlasers. Somit ist die Eindringtiefe von Letzterem um den Faktor 1’000 höher.

Das Verständnis dieser Grundlagen machen nun Veränderungen zum Beispiel der Frequenz oder der Pulslänge gezielt möglich, im Wissen der Veränderung von Wirkung und Nebenwirkung.
SUVAPro erstellt die Richtlinien für den Gefährdungsgrad und Schutzvorkehrungen im Umgang mit Laser. Therapielaser sind in der höchsten Klasse angesiedelt und somit sind Laserschutzbrillen für alle bei der Behandlung beteiligten Personen (Patient, Assistenz und Arzt) ein Conditio sine qua non. Zum Schluss des Kurses wurden die erarbeiteten Lerninhalte in einem Multiple Choice Test überprüft.

Photodynamische Therapie PDT
Den Auftakt des Hauptkongresses gestaltete Prof. Dr. Werner Kempf, Zürich, über die Photodynamische Therapie (PDT) der Haut. Grundlage der PDT bildet ein floureszierender Stoff, welcher durch die aufgenommene Energie der Lichteinstrahlung Singulettsauerstoff bildet, welcher zytotoxisch wirkt und die den fluoreszierenden Stoff aufnehmenden Zellen zerstört. Durch Anreicherung des fluoreszierenden Stoffes in Tumorgewebe kann dieses nun in 1–2 mm Tiefe gezielt zerstört werden, was die PDT auf oberflächliche Tumore beschränkt. Die Häufigkeit von aktinischer Keratose (in der Altersgruppe > 50 Jahre beträgt 1:4) und Basalzellkarzinomen (1:7) macht die PDT zu einer attraktiven Therapieform, umso mehr, dass sie ohne grosse Nebenwirkungen ist (keine Mutagenität wie zum Beispiel bei der Radiotherapie) und beliebig oft wiederholt werden kann. Als positiver Nebeneffekt konnte eine Faltenglättung und Reduktion von Altersflecken beobachtet werden, was eine kosmetische Anwendung in Zukunft attraktiv machen könnte.

Kommunikation der Bakterien im Biofilm
Dr. Freimut Vizethum, DE-Schwetzingen, erläuterte in einem unterhaltsamen Vortrag die Kommunikation von Bakterien im Biofilm untereinander, wobei die Bakterien nicht nur innerhalb, sondern auch speziesübergreifend über Signalmoleküle kommunizieren können. Dazu ist jedoch eine Grundkonzentration von Bakterien notwendig. Sowohl ihre Mobilität als auch ihre Virulenz werden vom Verband gesteuert, was einen interessanten Therapieansatzpunkt bietet. Da eine totale Elimination von Keimen nie möglich ist, kann die Reduktion der Virulenz als Therapieziel gesehen werden. Die Forschung ist bestrebt, einerseits nichtpathogene Bakterien zu finden, welche die pathogenen verdrängen, und andererseits diejenigen Signalmoleküle blockieren, welche die Virulenz der Bakterien hervorrufen. Die PDT kann die Konzentration des Bakterienverbands empfindlich reduzieren, sodass die Kommunikation im Biofilm gestört wird.

Laserbasierte Diagnostik in Kariologie und Parodontologie war das Thema von PD Dr. Andreas Braun, Universität Bonn. Während die Floureszenzmessung in der Kariologie mehr Interpretationsspielraum bietet, ist sie in der Parodontologie zur Detektierung von Konkrementen sehr zuverlässig. Geräte mit einer Rückkopplung-Diagnostik-Therapie (z.B. Key Laser III) können somit spezifisch Konkremente nach deren Detektion entfernen. Zur Bestimmung des Endpunktes der Kariesentfernung ist die Fluoreszenzmessung nicht geeignet, da das Pulpagewebe die Fluoreszenz ebenfalls erhöht und somit pulpanah verfälschte Resultate liefert.

Laser zur Infektionskontrolle
Die aufkommende Problematik der Periimplantitis wurde von Prof. Dr. Herbert Deppe, Technische Universität München, behandelt. Die PDT wird als Adjuvans in der geschlossenen Therapie angesehen. Die direkte Dekontamination der Implantatoberfläche bei der offenen Therapie ist eine Hilfe bei der Infektionskontrolle. Nur eine möglichst sterile Oberfläche hat Aussicht auf einen Therapieerfolg. Der Einsatz von Laser in der Periimplantitistherapie hat zum Ziel, in Zukunft vermehrt auf Antibiotika verzichten zu können. Insbesondere Metronidazol könnte ernstere Nebenwirkungen haben (Kanzerogenität ist nicht ausgeschlossen) und die zunehmenden Resistenzen werden uns vor neue Herausforderungen stellen.

Low-Level-Laser-Therapy LLLT, neuester Stand
Prof. Dr. Anton Sculean, ZMK Bern, belegt mit diversen Studien die signifikante Wirkung von LowLevel-Laser-Therapy LLLT auf
die Wundheilung. Reduktion der Entzündung (dadurch weniger Schmerzen), erhöhte Kollagensynthese, Reduktion der Heilungszeit und die schnellere Reduktion der Wundfläche gelten hier als Hauptkriterien. Bei der PDT in der Parodontaltherapie werden die Keime mit einem Photosensitizer (Methylenblau gepuffert) markiert und gezielt mit einer Wellenlänge von 670 nm belichtet. Die applizierte Energie auf den Photosensitizer führt zu Singulettsauerstoff, welcher die Keime zerstört. LLLT und PDT können also in allen Phasen der Parodontaltherapie entweder zur Dekontamination oder Wundheilung eingesetzt werden.

Pulsform des Lasers entscheidend
In Wien hat die Laserzahnheilkunde bereits Einzug in den Studentenunterricht gefunden und ist Prüfungsfach in den Schlussprüfungen. Prof. Dr. Andreas Moritz, Universität Wien, zeigt die Bearbeitung von Zahnhartsubstanz mit Er,Cr:YSGG- oder Er:YAG-Laser. Die Absenkung der Pulsdauer und die hohe Intensität der Pulsspitze reduzieren die thermischen Nebenwirkungen, wobei darauf geachtet werden muss, dass die Pulsform des Lasers eine starke Steigung aufweist, was nicht bei allen Fabrikaten gleich ausgeprägt ist. Die Präparation von Zahnhartsubstanz muss mit einer speziellen Technik durchgeführt werden, um eine Kavitätenoberfläche zu erhalten, die eine genügende Dentinhaftung gewährleistet, dies gilt ebenfalls für den Schmelz.

Laser in der Oralchirurgie
Spektakuläre chirurgische Laseranwendungen wie Entfernung von Plattenepithelkarzinomen, Hämangiomen und Speichelre­tentionszysten wurde von PD Dr. Gerold Eyrich, Zürich, präsentiert. Die Ablation von Leukoplakien seien der abwartenden Haltung vorzuziehen. Eine seriöse pathologische Abklärung durch eine Biopsie ist jedoch in jedem Fall erforderlich.

Der zweite Vortrag durch PD Dr. Andreas Braun beschäftigte sich mit der PDT in der Parodontologie und Endodontologie. Auch hier wurde der Wunsch nach Reduktion der Antibiotikatherapien in der Parodontologie hörbar. Bei der PDT ist die Abstimmung von Photosensitizer und Wellenlänge unbedingte Forderung, wie auch die dreidimensionale Lichtemission durch eine spezielle Faser. Das Verfahren im Wurzelkanal ist mit dem in der parodontalen Tasche identisch. Mit Methylenblau werden die Keime markiert, die überschüssige Farbe nach einer Minute ausgespült und anschliessend mit Licht der Wellenlänge 670 nm (3-D abstrahlende Faser) bestrahlt. Die koronalen Anteile des Dentins müssen aufgrund der Blauverfärbung vorgängig mit einem Bondingsystem abgedeckt werden, um ästhetische Probleme zu vermeiden.

Mit LLLT Regeneration fördern
Den Abschlussvortrag hielt Dr. Gérald Mettraux, Bern, mit dem Titel Low-Level-Laser im Praxisalltag. Als Low-Level-Laser werden Diodenlaser mit der Wellenlänge 600–905 nm und einer Leistung von 30–300 mW genannt. Die „Wirtsmodifikation“ erfolgt in der Hemmung der Entzündung, Schmerzreduktion und verbesserter Wundheilung, wobei diese Wirkungen als Regulationstherapie zu verstehen sind, d. h. ihre Wirkung erst nach Traumatisierung eines Gewebes entfalten kann. Mettraux verwendet nach nahezu allen therapeutischen Interventionen, insbesondere Chirurgie, Deep Scaling, aber auch ausgedehnten Präparationen (Wirkung auf die Pulpa) die LLLT, um die Regeneration der Gewebe zu fördern. Aufgrund der hohen Absorption dieser Wellenlängen ist in stark pigmentierten Strukturen (Pigmentflecken) und malignen Tumoren Vorsicht geboten. Durch die direkte Einwirkung auf die Retina ist eine Laserschutzbrille bei Therapien mit dem Diodenlaser ein absolutes Muss.

Evidenz nachgewiesen
Nach einem halben Jahrhundert seit seiner Entwicklung scheint sich der Laser nun in der Zahnmedizin definitiv zu etablieren. Die Gemeinschaft der Laseranwender kann sich mittlerweile auf wissenschaftliche Studien berufen, was die Laserzahnheilkunde endlich vom Evidenzlevel der „Freaks-Opinion“ wegbringt und in die evidenzbasierte Zahnmedizin integriert.

(Erschienen in Dental Tribune Swiss Edition 12/2010)

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