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21. Jahrestagung der SGZBB in Bern

Dr. med. dent. Philipp Kujumdshiev

Dr. med. dent. Philipp Kujumdshiev

Fr. 8 Juni 2012

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BERN - Prof. Frauke Müller, SMD Genf, lud im April im Namen der Schweizerischen Gesellschaft für Behinderten- und Betagtenzahnmedizin zur 21. Jahrestagung ins Berner Inselspital. Namhafte Referenten erörterten ihre Sichtweisen und Behandlungsmethoden vor interessiertem Publikum. 

„Implantate auch für alte Patienten?“ als zentrale Fragestellung. Dr. Philipp Kujumdshiev berichtet.

Das Alter als Kontraindikation für Implantate?

Die Frage, ob implantatfixierte Prothesen oder Versorgungen für Patienten im hohen Alter überhaupt sinnvoll seien, beantwortete Prof. Müller mit einem klaren Ja. Vorteile sind zu sehen im verlangsamten Al­veolarknochen- und Kaumuskelabbau, in verbesserter Kaueffektivität, verbesserter Koordination und Adaptation der Muskulatur, dem gesteigerten Tastsinn im Vergleich zu Totalprothesen, aber auch im besseren Lebensgefühl bzw. besserer Lebensqualität. Sie zeigte, dass die Patientenzufriedenheit zu grossen Teilen auch noch nach zehn und mehr Jahren sehr hoch sei. In Erinnerung rief sie die mit Zahnverlust im Zusammenhang stehenden leichten Erinnerungsschwächen im Alter.

Generell stelle das Alter keine Kontraindikation für Implantate dar, allerdings sollte dem älteren Patienten mit einfacheren Halteelementen (umgangs- und reinigungsfreundlich, leicht aktivier- bzw. modifizierbar) entgegengekommen werden. Es müsse häufiger mit (medikamenteninduzierten) Prothesenintoleranzen oder Mukositiden gerechnet werden. Sie propagierte eher kurze Einheilzeiten nach möglichst minimalinvasiven Eingriffen. Einen Vorteil von vier Implantaten im zahnlosen Unterkiefer sah sie nicht, allerdings wird mit vier Implantaten ein Schaukeln der Prothese deutlich verringert, was wiederum zu erheblich weniger Alveolarknochenresorption im distalen Bereich führt. Von Versorgungen mit nur einem (zentralen) Implantat riet sie aufgrund erhöhter Prothesenfrakturgefahr ab.

 

Computergestützte Implantologie im Alter

Computerunterstützte Implantologie bietet viele Hilfen bei der Behandlung. Allerdings wäre noch zu beantworten, wer diese Hilfen dringend benötigt: Der Patient oder der Behandler? Dr. Joannis Katsoulis, ZMK Bern, ging auf die Möglichkeiten des CAD/CAM in der Zahnmedizin ein. Wie bekannt, ist der Schlüssel für den Erfolg beim CAD/CAM das „backward-planning“. Also das Set-up (Wax-up) sollte als Basis für die Planung dienen, um die idealen Positionen von Implantaten, Zähnen, labialem Schild etc. der Restaurationen zu eruieren. Er zeigte verschiedene Studien, in denen die Flapless-Implantologie verschiedene Vorteile gegenüber der „herkömmlichen“ Chirurgie (mit Aufklappungen) aufwies. Aber auch hier machte er klar, dass man sich nicht zu sehr auf den Computer verlassen sollte, denn Fehler entstehen unter anderem bei der Nutzung/Handhabung von CT- bzw. OP-Schienen, die zu Änderungen der Implantatpositionen in einem Bereich von 0,8 bis 3,5 mm (horizontal wie vertikal) liegen können. Insofern sollte bei der Planung eine „Sicherheitszone“ von ~ 1 mm um das Implantat herum berücksichtigt werden. Weitere Vorteile sind in der verringerten Operationszeit, der verringerten Blutungsneigung, in weniger postoperativen Komplikationen (Ödem, Hämatom, Sprechbehinderung, Infektion) zu sehen. Durch die virtuelle Diagnostik und Planung resultiert eine einfachere Visualisierung und Risikoaufklärung, weshalb der Patient leichter eine Entscheidung fällen kann.

 

Geweberegeneration im Alter

Prof. Tateyuki Iizuka von der Abteilung Schädel-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Bern, zeigte in seinem kleinen Exkurs in die (Hart-)Geweberegeneration die Optionen moderner Augmentationsmethoden. Bei den autologen Transplantationen spielt der Spongiosaknochen aus dem Kieferwinkel bzw. der proximalen Tibia in der lokalen Augmentation die grösste Rolle. Für grössere Defekte wird Grobknochen (Beckenkamm) genutzt, welcher aber mit hohen Resorptionsraten (40 bis 50 %) und unangenehmen Begleiterscheinungen (Entnahmestelle an Hüfte) behaftet ist. Aufgrund der reduzierten Anzahl und Aktivität von Osteoblasten und -klasten, geringerer Angiogenese und verminderter periostaler Reaktion ist bei älteren Menschen die Knochenqualität generell als schlechter anzusehen. Deshalb muss umso mehr darauf geachtet werden, dass das Transplantat (Knochenqualität) gut (besser) sein muss, als dass es das Knochenlager oft ist. Eine Möglichkeit zeigte er mit der Augmentation von Knochen aus dem Calvarium (Schädeldecke). Denn die Struktur und Vitalität bleibt bei guter Durchblutung erhalten. Die Resorption liegt nur bei ca. 15 %, aber die Knochendichte steigt teilweise um 10 %. Radiotherapierte Patienten können ebenfalls Implantate erhalten, da die Therapie mittlerweile gut kontrollierbar ist (Strahlenkarte des Patienten). Allerdings ist hier immer zweizeitige Chirurgie (bei gedeckter Einheilung) unter dreitägiger i.v.-Antibiose anzuwenden. Bei Bisphosphonat-Patienten (i.v.-Gabe) sollte auf Implantationen verzichtet werden. Als kritische Gruppe bezeichnete er Patienten mit einer i.v. BP-Therapie von mehr als drei Jahren Dauer. Ob sich das alles lohne? – die Psychoimmunologie kann beweisen, dass durch positive Faktoren (Optimismus, Selbstwertgefühl, soziale Bindung etc.) der Erfolg (Behandlung, Zufriedenheit) gesteigert werden kann.

 

Periimplantitis im Alter

Mit der mittlerweile „allgegenwärtigen“ Periimplantitis beschäftigte sich Prof. Andrea Mombelli, SMD Genf. Erneut sprach er von einer tsunamiartigen Welle, die auf die Zahnärzte zukommen wird. Von einer PI spricht man, wenn Zahnfleischtaschen von 4 mm und mehr vorhanden sind. Bleeding on probing (BOP) ist nicht zwingend mit einer PI verbunden und führt sehr oft zu falsch-positiven Diagnosen. Risikofaktoren sind unter anderem Rauchen und eine schon vorhandene parodontale Schädigung. Allerdings ist PI keine definitive Diagnose, denn Heilung oder Stagnation ist ebenso möglich. Er verwies auf die CIST und zeigte Prävalenzdaten für Periimplantitis, wonach in fünf bis zehn Jahren nach Implantation bei 10 % der Implantate und 20 % der Patienten PI auftrete. Die verursachenden Mikroorganismen verändern sich im Laufe des Patientenalters, was bei der antibiotischen Therapie (gegen aerobe und/oder anaerobe Bakterien) berücksichtigt werden muss. Während A.a. bei jüngeren Patienten wichtig ist bzw. häufiger auftritt, ist es bei älteren Patienten eher P.g. Zur Therapie ist ein Zugangslappen zu bilden, damit die Implantatoberfläche mit Ultraschall und Stahlküretten (nicht Kunststoff oder Carbon!) bearbeitet werden kann. Eine Antibiose mit Metronidazol und Amoxicillin sowie unterstützt mit CHX-Spülung ist durchzuführen. Ob das relativ neue AB Zithromax eine valable Alternative darstellt, ist bislang nicht eindeutig bewiesen. Klar war seine Aussage, dass kein Patient zwingend Implantate haben/bekommen muss! Die Entscheidung sollte immer beim Patienten liegen.

 

Mundgesundheit und Lebensqualität

Prof. Mark Thomason, GB-Newcastle upon Tyne, machte deutlich, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und Lebensqualität besteht. Nach der WHO-Einteilung bedeutet Zahnlosigkeit eine körperliche Beeinträchtigung bzw. Behinderung/Handicap, da viele Dinge ohne Zähne nicht mehr machbar sind. Er zog den Vergleich zu Affen, die die Zähne auch als Werkzeug nutzen. Wichtig sei, dass Zahnärzte und Patienten oft nach anderen Kriterien, vor allem in Sachen Stabilität, Komfort und Ästhetik, beurteilen, weshalb das Stellen der „richtigen“ Fragen im Gespräch mit dem Patienten den kleinen Unterschied darstellt. Warum wir nun Zähne mit Implantaten ersetzen, lässt sich – einfach ausgedrückt – mit der Steigerung von Zufriedenheit und Lebensqualität beantworten.

 

Verankerungssysteme für alte Patienten

Dr. Serge Borgis, Privatpraxis Genf, öffnete seine Trickkiste und zeigte Lösungswege zu Problemen, die im Zusammenhang mit prothetischen Implantatversorgungen auftreten können. Entgegen den euphorischen „Vorhersagen“ von Implantologen vor etwa einem Jahrzehnt, sind abnehmbare Prothesen noch immer vorhanden und bringen die eine oder andere Überraschung, wenn die seit langer Zeit bekannten Grundsätze der herausnehmbaren (Total-)Prothetik nicht ausreichend berücksichtigt werden. Vor allem bei „gemischten“ Hybridversorgungen gibt es Resilienzunterschiede und Kipp-Probleme. Auch sollte für ältere Patienten ein einfaches Verankerungssystem (ideal mit „Klick“, Halt der Prothese wird durch ein Klicken deutlich) genutzt werden. Bei abgebrochenen Kugelankern gibt es Hilfe in Form eines Reparatursets von Cendres+Métaux. Bei wenig Platzangebot in der Prothese für Matrizen gibt es Möglichkeiten, diese „selfmade“ direkt in die Prothese zu verarbeiten (FITT). Manchmal kommt man an die Lösung, ähnlich wie MacGyver in der bekannten Fernsehserie viele Probleme löste. Das ideale „männliche“ oder „weibliche“ Verankerungselement gibt es nicht, jedoch muss eine gewisse Werkstoffkunde und mechanisches Verständnis vorhanden sein, um richtige Verankerungen zu wählen.

 

Implantatprothetische Versorgungskonzepte

Prof. Regina Mericske-Stern, ZMK Bern, bezeichnete das Implantat als „prothetisches Hilfsmittel, mit gleichem Bedarf an Pflege wie Zähne“. Eigene Zähne haben zwar immer noch die beste Überlebensrate (im Vergleich zu Implantaten), aber sollte nicht „auf Teufel komm’ raus“ versucht werden, parodontal zu therapieren (Stichwort: Bakteriämie beim Scaling). Im Alter verändern sich die Risikofaktoren für Zähne (Wurzelkaries …). Gegen Implantate im Alter sprechen lokale Faktoren (Knochenangebot), systemische Faktoren (Medikation) und das Hygieneverhalten. Ebenso muss hinterfragt werden, ob der Patient den chirurgischen Eingriff gut vertragen wird (es ist immer noch ein Wahleingriff!). Sie schilderte ihre guten Erfahrungen mit Mini-Implantaten (ImTec), wies aber darauf hin, immer vier davon zu verwenden (Frakturgefahr). Bei älteren Patienten beobachtete sie teilweise Implantatverlust aufgrund leichter Beweglichkeit des Implantates (nicht im Zusammenhang mit Periimplantitis) und erklärte sich diese mit einer Verschiebung des Gleichgewichts der Knochenzellen hin zu den Osteoklasten. Im Alter lässt auch der Gewebsturgor nach, was in keinem Fall mit Implantaten therapiert werden kann. Für die Zukunft bezeichnet Frau Prof. Mericske die Implantologie als Alterszahnmedizin, denn die jungen Alten von heute werden die Betagten von morgen sein. Wir Zahnärzte werden zukünftig viele Patienten mit mehr Zähnen, aber auch Implantaten haben. Die Hauptschwierigkeit aber liegt im Zugang zum Patienten.

Zwischen den Referenten bekamen Dr. R. Kaufmann, Dr. M. Schimmel, Dr. F. Glenz und Dr. B. Maas, Assistenten der vier Universitäten, die Möglichkeit, über Patientenfälle zu berichten.

 

Posterpreis 2012 und Danksagung

Der Preis für die beste Posterpräsentation wurde an Julien Loraschi, Delémont (wissenschaftlich), sowie Lumni Kolgeci, Bern (Falldokumentation), vergeben. Erstmals hatten alle Autoren die Möglichkeit, dem Publikum ihre Präsentationen vorzustellen. Damit soll der Posterplattform von nun an mehr Gewicht verliehen werden, wenn auch der Research-Award beibehalten wird. Vor der Mitgliederversammlung nahmen Dr. Katsoulis und Prof. Müller die Gelegenheit wahr, sich für die tolle Kongressorganisation bei Frau Veronika Thalmann zu bedanken.

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