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Kosmetische Zahnregulierung

Fünf Fallbeispiele der kosmetischen Zahnregulierung führt Dr. Grimmel aus Dübendorf auf (alle Fotos: Dr. Grimmel).
Dr. Richard Grimmel

Dr. Richard Grimmel

Fr. 26 März 2010

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DÜBENDORF – Die ästhetische Zahnmedizin ist neben den Implantaten der Wachstumssektor der Zahnmedizin weltweit. Immer mehr Menschen wünschen sich angesichts der Vorbilder in den Medien ein gewinnendes Lächeln. Im Beruf wie im Privatleben ist der erste Eindruck der entscheidende. Ein Beitrag aus der österreichischen Ausgabe der Dental Tribune.

Veneers oder Kronen aus Vollkeramik und eine optimierte Klebetechnik machen den Wunsch nach einem „schönen“ Lächeln möglich. Mitunter entsteht sogar der Eindruck, Veneers oder Kronen seien – zumindest aus Sicht der behandelnden Zahnärzte – geradezu unabdingbare Voraussetzung für ein „strahlendes“ Lächeln. Schon werden Fragen nach der Ethik gestellt (Maio 2006). Für einige Patienten, insbesondere solche mit Frontzahnengstand, Schachtelstellung, Frontzahnrotationen oder auch Lücken, vermögen wir aber trotz fortschrittlichster Labortechniken keine annehmbare Lösung zu bieten. Anhand von fünf Patientenfällen werden hier Möglichkeiten aufgezeigt, mittels kosmetischer Kurzzeit-Zahnregulierung (Grimmel 2007) innerhalb von einem überschaubaren Zeitraum von sechs Monaten – aus Patientensicht – dramatische Verbesserungen der Frontzahnsituation zu erreichen. Ebenso wie bei der Versorgung mit Frontzahnkronen oder -veneers wird dabei eine Bissveränderung ausdrücklich nicht angestrebt.

Patienten mit Frontzahnfehlstellungen wie Engstand, Rotationen, Kippungen, Schachtelstellung haben oft einen hohen Leidensdruck, weil sie ihr Lächeln als unattraktiv ansehen, da es nicht dem normalen ästhetischen Empfinden entspricht.

Zahnärztliche Lösungen wie Kronen, Brücken oder Veneers bieten keine dauerhafte ästhetische Verbesserung und erschweren eine korrekte Hygiene. Kieferorthopädische Behandlungsvorschläge adressieren in der Regel nicht nur die Hauptprobleme der Patienten, nämlich die unbefriedigende Frontzahnsituation, sondern auch zahnärztliche Ideale hinsichtlich der Seitenzahnrelation.

Daraus resultieren projektierte Behandlungszeiträume von zwei bis drei Jahren. Oft ist dafür zudem ein kombiniertes kieferorthopädisch-kieferchirugisches Vorgehen nötig. Die Patienten vermögen keinen Vorteil in einer solchen konventionellen Regulierung zu sehen und nehmen frustriert von einer Behandlung Abstand. Die kosmetische Kurzzeit- Zahnregulierung (KKZ) zielt indes auf die Verbesserung des Hauptanliegens der Patienten ab. Im Unterschied zu prothetischen Lösungen werden die natürlichen Zähne geschont und die Frontzahnbögen in einem Zeitraum von ca. sechs Monaten harmonisch ausgeformt. Durch eine Dauerretention wird das Behandlungsergebnis langfristig abgesichert.

Material und Methoden
Die Patienten müssen eine gute Mundhygiene betreiben und ein saniertes, parodontal gesundes Gebiss haben. Sie sollten keine Myoarthropathiesymptomatik aufweisen. Die KKZ bedient sich anerkannter kieferorthopädischer Verfahren (Graber et al. 2005) wie der Multibandtechnik mit Nickel-Titan-Bögen in verschiedenen Dimensionen. In geeigneten Fällen kann alternativ das Invisalign®-Verfahren (Boyd RL 2000; Owen III 2001) Anwendung finden. Bei Rotationen und Extrusionen ist dieses jedoch aufgrund mangelnder Retention der Aligner meist überfordert.

Platz für die Bewegung wird durch approximale Schmelzreduktion erzielt (Sheridan 1993; Zhong et al. 1999). Das Hauptaugenmerk wird auf die Bewegung der kosmetisch relevanten Frontzähne gelegt, Fehlbisslagen im Seitenzahnbereich werden nicht verändert. Eine gnathologisch ideale Front- und Seitenzahnbeziehung ist ausdrücklich nicht das Behandlungsziel. Gelegentlich sind die Okklusionsverhältnisse nach Abschluss der Regulierung weniger gut als zuvor. Dann ist eine konservierende (Kompositaufbau) oder prothetische Korrektur als Ergänzung zu erwägen. Diesbezüglich ist die kosmetische Zahnkorrektur ebenso eine Kompromissbehandlung, wie es die Versorgung mit Frontzahnveneers oder -kronen in einem vergleichbaren Fall wäre. Bei den vorgestellten Fällen wurden Planungsmodelle vermessen, um die Platzverhältnisse zu analysieren und speziell die Indikation für eine approximale Schmelzreduzierung oder die Extraktion eines unteren Schneidezahnes zu prüfen. Die jeweilige Planung wurde mit dem Patienten diskutiert und etwaige Risiken abgewogen. Zur Regulierung wurden die Zähne mit sukzessiven NiTi-Bögen der Stärken .014 bis .018 oder mit Invisalign®-Alignern bewegt. Die Retention erfolgte mit Essix-Retainern (McNamara et al. 1985; Sheridan et al. 1997), lingualen Drahtretainern oder Invisalign®-Retainern.

Fallbeschreibungen

Fall 1
Der 40-jährige Patient ist Berater einer Bank für vermögende Kunden und bemerkt, dass er im Gegensatz zu seinen jüngeren Kollegen auf Abschlussfotos mit den Kunden nie lächelnd zu sehen ist. Seine Zähne hätten nicht die „optimale Ausstrahlung“. Er möchte sein Lächeln positiv verändern und stört sich an dem Gingivaverlauf am Zahn 21.

Befund: Nichtraucher, gute Allgemeingesundheit, saniertes Gebiss, Zustand nach orthodontischer Behandlung mit Prämolarenextraktion im UK als Jugendlicher. Jetzt Engstand der OK- und UK-Front, an Zahn 21 Zustand nach Endodontie und Versorgung mit einer VMK-Krone vor ca. zehn Jahren.

Behandlung: (21.03.2006– 20.09.2006) Extraktion des Zahnes 41 und approximale Schmelzreduktion an 14–25 zur Platzgewinnung, Ausformung der Frontzahnbögen mit sukzessiven NiTi-Bögen (.014–.018.). Dabei Extrusion von 21 um ca. 3 mm und Öffnung einer Lücke distal von 21 zur Angleichung der Zahnbreiten 11 und 21. Lückenstabilisierung mit Composite an 22 mesial. Vorläufige Retention mit Essix-Retainern im OK und UK. Neuversorgung von 21 ca. sechs Monate nach Abnahme der Apparatur geplant.

Ergebnis: Ausformung der Fronten, beabsichtigte Mittellinienverschiebung aufgrund der Extraktion im UK, unveränderte Seitenzahnrelation. Für die gingivale Ästhetik hätte 21 noch
ca. 1mm weiter nach inzisal bewegt werden können. So muss bei der Neuversorgung von 21 ggf. mit einer Ausgleichsgingivektomie am 11 eine Gingivasymmetrie hergestellt werden.
 

Fall 2
Die 46-jährige Patientin leidet unter den schief und verschachtelt stehenden Schneidezähnen, vor allem im Oberkiefer, aber auch im Unterkiefer. Als Personalchefin eines mittleren Unternehmers geniert sie sich, Gesprächspartner offen anzulächeln.

Befund: Gute Allgemeingesundheit, saniertes Lückengebiss mit geringem horizontalen Knochenverlust, durchschnittliche Mundhygiene, Engstand mit Schachtelstellung der Oberkiefer- und Unterkieferfrontzähne, Zapfenzähne 12 und 22, Mittellinienverschiebung. Auffallend ist die Gesichtsasymmetrie mit Unterentwicklung der rechten Gesichtshälfte.

Behandlung: (OK: 03.10.06–12.04.07) Optimierung der Mundhygiene, Ausformung der Frontzahnbögen und Einreihung der 2er mit sukzessiven NiTi-Bögen (.014–.018) und Elastik-Ketten. Entfernung der Weisheitszähne. Verbreiterung des Zahnes 12 mesial auf genau gleiche Breite wie 22 nach Öffnung einer entsprechenden Lücke mesial 12. Diese Lösung zog die Patientin einer noch weitergehenden Lückenöffnung an 12 und 22 zur Vorbereitung von Veneers auf diesen beiden Zähnen vor. Retention mit Draht-Retainer.

Ergebnis: Ausformung der Fronten, Mittellinie kaum verändert. Ein Reshaping von 21 würde ein noch harmonischeres Bild ergeben, wird von der Patientin aber abgelehnt.
 

Fall 3:
Die 41-jährige Patientin stört die Stellung ihrer Frontzähne
in Ober- und Unterkiefer. Sie scheut sich zu lachen und hält sich dabei immer die Hand vor den Mund.

Befund: Gute Allgemeingesundheit, Raucherin, saniertes Gebiss, gute Mundhygiene, Engstand und Schachtelstellung der OK- und UK-Frontzähne.

Behandlung: (25.10.2005–25.04.2006) Ausformung der Frontzahnbögen mit sukzessiven NiTi-Bögen (.014–.018.). Approximale Schmelzreduktion 13–23 und 33–43. Retention mit Essix-Retainern

Ergebnis: Ausformung der Fronten mit unveränderter Seitenzahnrelation.
 

Fall 4:
Die 46-jährige Patientin stören die gedrehten Zähne 12 und 42. Sie ist überzeugt, dass die Fehlstellung sich im Laufe der Jahre verschlimmert hat. Außerdem stört sie die Lücke distal von 43. Sie lehnt eine alio loco vorgeschlagene Regulierung mit Brackets und Bögen ab. Die Patientin klagt über Geräusche im Kiefergelenk und häufige Spannungskopfschmerzen. Sie ist sich bewusst, dass sie häufig die Zähne aufeinanderpresst.

 
Befund: Nichtraucherin, keine Allgemeinerkrankungen, Zustand nach kieferorthopädischer Behandlung im Jugendalter mit Prämolarenextraktionen in Ober- und Unterkiefer. Geringfügiger Engstand der OK- und UK-Frontzähne, 24 rotiert. Kiefergelenkknacken beidseits bei Maximalöffnung. Mundöffnung nicht eingeschränkt, keine Schmerzen bei Unterkieferbewegungen.

Behandlung: (27.02.2006–09.01.2007) mit Invisalign®-Technik. Es waren 14 Aligner im Oberkiefer und 22 Aligner im Unterkiefer erforderlich. Diverse Attachments zur Retention der Aligner und zur Erleichterung der Zahnrotationen (.014–.018.). Approximale Schmelzreduktion 13–23 und 33–43. Retention mit Essix-Retainern.

Ergebnis: Ausformung der Fronten, Schliessung der Lücke distal 43 durch Distalisierung von 42 und 43 sowie geringfügige Mesialisierung von 45–47. Unter der Therapie berichtet die Patientin über eine dramatisch verminderte Kopfschmerzneigung. Diese ist durch die Unmöglichkeit von Parafunktionen unter der Alignertherapie zu erklären. Nach Abschluss der ersten Retentionsphase von sechs Monaten können die Attachments entfernt werden. Dann ist ggf zu evaluieren, ob eine Michiganschiene indiziert ist.
 

Fall 5:
Die 22-jährige Patientin stört ihre Schneidezahnstellung, vor allem der gedrehte Zahn 22.

 
Befund: Die Patientin ist Nichtraucherin und allgemein gesund. Sie hat ein kariesfreies, naturgesundes Gebiss und betreibt eine gute Mundhygiene.

Behandlung: (01.02.2006–18.07.2006) Ausformung der Frontzahnbögen mit sukzessiven NiTi-Bögen (.014–.018.). Approximale Schmelzreduktion 14–24. Retention mit Essix-Retainern.

Ergebnis: Ausformung der Fronten in Ober- und Unterkiefer mit Derotation des 22. Die nach der Abnahme der Brackets etwas zu weit lingual stehenden Zähne 32 und 42 wurden mit dem
Essix-Retainer eingereiht. Die Patientin war bisher leider nicht bereit, der ärztlichen Empfehlung zur Entfernung der retinierten Weisheitszähne Folge zu leisten.

Diskussion
Die KKZ bietet eine Möglichkeit, Patienten mit Frontzahnfehlstellungen zu einem attraktiveren Lächeln mit geraden, natürlichen Zähnen zu verhelfen. Diese Patienten sind in der Regel besonders zahninteressiert, haben eine hohe Compliance. Sie wissen den zahnärztlichen Aufwand zu schätzen und zu würdigen. Gerade mit solchen Patienten macht die Zusammenarbeit besonders viel Freude und bringt außerordentliche Befriedigung für den Behandler. Mit konventionellen Methoden wie Composite-Aufbauten, Veneers oder Kronen/Brücken ist eine Problemlösung nicht oder nur ästhetisch unbefriedigend möglich oder sogar ethisch fragwürdig. Zudem wäre dabei das Risiko einer langfristigen Verschlechterung der parodontalen Situation durch überstehende und schlecht reinigungsfähige Restaurationsprofile oder -ränder zu bedenken. Der Zahnarzt müsste daher meist auf eine Behandlung dieser interessanten Patienten verzichten. Zweifelsfrei ist die KKZ bei Frontzahnfehlstellungen die konservativere, weil substanzschonende Alternative zu Veneers, Kronen oder Brücken. Wie die meisten anderen zahnärztlichen Behandlungen ist auch die KKZ eine Kompromissbehandlung. In der kurzen Behandlungszeit können wünschenswerte Wurzelbewegungen zur optimalen Achsausrichtung oft nicht erreicht und eine Kippung der betroffenen Zähne muss akzeptiert werden.

Schon vor 20 Jahren wurde schlüssig nachgewiesen, dass die dramatische positive Lebens- und Gefühlsveränderung diejenige vom subjektiv als „hässlich“ empfundenen zum allgemein als „normal“ empfundenen Körperzustand ist, während die Veränderung vom „normalen“ zum besonders „schönen und attraktiven“ nur als eine marginale Verbesserung empfunden wird (Hatfield E et al. 1986). Bei der Bewertung ist außerdem zu bedenken, dass zwischen der Wahrnehmung einer Fehlstellung durch Kieferorthopäden, Allgemeinpraktiker und Laien erstaunliche Diskrepanzen bestehen (Kokich et al. 1999; Cochrane et al. 1997). Alle Patienten sind mit dem erreichten Resultat überaus zufrieden und lehnen eine längere Behandlungsdauer ab, die für das Erzielen eines kieferorthopädischen Optimums erforderlich wäre. Für kosmetisch besonders kritische Patienten, die selbst für einen kurzen und überschaubaren Zeitraum von sechs Monaten eine Behandlung mit Brackets und Bögen nicht akzeptieren können, steht mit der Invisalign®-Methode in vielen Fällen eine Alternative zur Verfügung. Sie wird von diesen Patienten selbst dann akzeptiert, wenn damit eine längere Behandlungsdauer verbunden ist.

Die KKZ basiert auf etablierten kieferorthopädischen Methoden, die auch vom Allgemeinpraktiker systematisch erlernt werden können. Sie sind bewährt und wissenschaftlich abgesichert. Wie bei jeder neuen Technik ist eine Einarbeitungszeit nötig. Der Gewinn an Lebensqualität und Selbstbewusstsein für die Patienten ist unvergleichbar höher als bei üblichen zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen.

Spätestens die Begeisterung der Patienten während und nach Abschluss einer solchen Behandlung wird auch den skeptischen Kollegen von dieser Technik überzeugen.

Dieser Artikel erschien in der Dental Tribune Austrian Edition 7/2009.
 

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