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Über 1.000 Dentalhygienikerinnen am Kongress 2009

Palais de Beaulieu in Lausanne, Schauplatz des DH-Kongresses 2009 (Fotos: J. Eschmann).
Johannes Eschmann, Dental Tribune

Johannes Eschmann, Dental Tribune

Mo. 7 Dezember 2009

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LAUSANNE – Das gibt es nur bei den Dentalhygienikerinnen: Über 60% der Verbandsmitglieder besuchten  hren Jahreskongress in Lausanne. Mit dem Thema „Implantologie und Biofilm“, prominenten Referenten, einer grossen Dentalausstellung und einer Organisation, bei der wie immer alles am  Schnürchen lief, konnte der Verband seine Mitglieder mobilisieren. „Das macht mich froh und stolz“, so  Brigitte Schoeneich, die Zentralpräsidentin der Swiss Dental Hygienists.

Nirgendwo weltweit werden pro Einwohner so viele Implantate gesetzt wie in der Schweiz. Deshalb  übernimmt die DH eine wichtige Türsteherfunktion. Wenn Komplikationen an Implantaten und anderen  Zähnen nicht frühzeitig erkannt werden, kann das für den Patienten ein erhebliches Gesundheitsrisiko bedeuten, von den finanziellen Folgen einmal abgesehen. Deshalb war das Themenspektrum rund um  den „Biofilm und dessen Kontrolle“ klug gewählt, was durch das enorme Interesse auch bestätigt wurde.  Die berufliche Qualifikation steht für die Präsidentin des Verbands im Vordergrund. „Warum nicht Deepscaling und die nichtchirurgische mechanische Paradontalbehandlung als Kernkompetenz postulieren?“ Brigitte Schoeneich zeigte sich sehr erfreut über die Resonanz ihrer Kolleginnen und dankte  den Referenten, den Ausstellern sowie den Sponsoren für ihre Unterstützung. Ein besonderes Lob erhielt Cornelia Jäggi, die seit Jahren als Hauptverantwortliche gemeinsam mit Christoph Bühler, Mitarbeiter im  Zentralsekretariat, den Kongress organisiert.

Abb. 1, v.l.n.r.: Brigitte Schoeneich, Zentralpräsidentin Swiss Dental Hygienists, freute sich über den Rekordbesuch in der Romandie. Abb. 2: Marjolijn Hovius, Präsidentin des Internationalen Verbandes, überbrachte Grüsse. Seitens der Zahnärzte begrüsste Dr. Olivier Marmy, Präsident der Waadtländer Zahnärztegesellschaft, die Teilnehmerinnen im vollbesetzten Saal des Palais de Beaulieu, und Marjolijn Hovius, Präsidentin  des IFDH Internationalen Verbandes der Dentalhygienikerinnen, zeigte
 ich erfreut über die Arbeit des Schweizer Verbandes und lud zum internationalen Kongress nach  Glasgow ein.

Der 1.800 Mitglieder zählende Verband, in dem praktisch alle Dentalhygienikerinnen organisiert sind,  kümmert sich wie kaum eine andere Organisation im Gesundheitswesen um die fachliche  Qualifizierung ihrer Mitglieder. Die dipl. Dentalhygienikerin HF ist das Ergebnis dieser jahrelangen Bemühungen. Da sind  auch die Zahnärzte gefordert, die Position der Dentalhygienikerin gegenüber dem Patienten zu stärken.

Olympisches Museum – repräsentativer Rahmen
Die Satelliten-Symposien von GABA Schweiz und P&G Oral Health sowie das Kongress-Essen fanden  in der einmaligen Atmosphäre des Olympischen Museums statt. Das topmoderne Auditorium und das  Restaurant bildeten einen repräsentativen Rahmen. Entsprechend gross war auch der Andrang (s.  Bericht auf Seite 11).

Hochkarätiges Programm im Palais de Beaulieu
Das wissenschaftliche Programm „Implantologie – Biofilm“ war anspruchsvoll und mit hochkarätigen  Experten besetzt. Isabelle Passanah-Dähler moderierte den Eröffnungstag und stellte als ersten  Referenten des Kongresses PD Dr. Giovanni Salvi, ZMK Bern, vor.

Abb. 1, v.l.n.r.: Isabelle Passanah-Dähler moderierte den ersten Kongresstag. Abb. 2: Vreni Steinegger-Schatz, Moderatorin des zweiten Tages. Parodontal kompromittierte Gebisse: Wann extrahieren und wann erhalten?
Die Rehabilitation des parodontal kompromittierten Gebisses mit zahn- und/oder implantatgetragenen Rekonstruktionen hängt von der Frühdiagnostik, einer adäquaten Therapie und der Nachsorge des  Patienten ab. Nach Beurteilung der klinischen und radiologischen Befunde erfolgt eine synoptische  vierphasige Behandlungsplanung:
– In der systemischen Phase erfolgen medizinische Abklärungen und die Raucherentwöhnung.
– In der initialen, nichtchirurgischen Phase werden nichterhaltungswürdige Zähne extrahiert. Die  verbleibenden Zähne erhalten eine systematische Zahnsteinentfernung und Wurzelglättung.
– Iatrogene Faktoren werden entfernt und der/die Patient/-in erhält Instruktionen zur Mundhygiene, die  fortwährend adaptiert werden. Während dieser Phase wird der/die Patient/-in mit provisorischen  prothetischen Massnahmen versorgt. Nach abgeschlossener Wundheilung erfolgt eine Neubeurteilung  der parodontalen Gewebe.
– Falls notwendig, werden in der folgenden korrektiven chirurgischen Phase Resttaschen im Bereich von Furkationen oder vertikalen Knochendefekten durch reparative, resektive oder regenerative Eingriffe  angegangen. In der chirurgischen Phase werden auch fehlende Zähne durch Implantate ersetzt. Um die  parodontale und periimplantäre Situation nach der aktiven Therapie stabil zu halten, wird ein  Recallintervall geplant.

Zum Schluss diskutierte Giovanni Salvi den Nutzen mikrobiologischer und genetischer Testverfahren in  der Parodontologie und Implantatzahnmedizin. Das Ziel des Vortrags war, anhand klinischer Beispiele  parodontal kompromittierter Gebisse die Vor- und Nachteile der Zahnerhaltung und des Zahnersatzes mittels Implantate zu vergleichen. Dabei spielt die gute Zusammenarbeit zwischen Behandler und DH eine wichtige Rolle.

Gibt es das überlegene Implantatsystem – eine Übersicht
Für Dr. Konrad Meyenberg, Zürich, ist der Ersatz von Zähnen mittels Implantaten in der ästhetischen Zone auch heute noch eine Aufgabe. Der Kliniker wird mit einer grossen Vielfalt von Neuentwicklungen  konfrontiert, welche potenzielle Vorteile bringen können. Vergleicht man die Angaben der Hersteller über  ie zu erwartenden Vorteile neuer Systeme mit der klinischen Realität, müssen die verschiedenen Ansätze zur ästhetischen Verbesserung genau betrachtet werden. Es nützt wenig oder nichts, wenn gewisse Vorteile mit anderen spezifischen Nachteilen erkauft werden. Ebenfalls muss die  wissenschaftliche Basis hinterfragt werden. Viele der neuen Systeme sind klinisch gar nicht oder noch  nicht ausreichend erprobt worden.  

Der Referent stellte fest, dass mit etablierten Designs für Einzelzahnimplantate in der Einzelzahnlücke ausgezeichnete Ergebnisse zu erzielen sind. Schwieriger wird es, falls mehrere Frontzähne ersetzt  werden müssen. Der schwierigste Fall liegt vor, falls zwei oder mehrere Zähne asymmetrisch zu  ersetzen sind. Hier kommen die Unterschiede zwischen Zahn und Implantat besonders zur Geltung, vor  allem hinsichtlich des zu erwartenden Weichgewebeverlaufes. Auch hier müssen neue Konzepte  ansetzen und sich beweisen.

Um den ästhetisch-rekonstruktiven Spielraum zu erhöhen, wird seit Längerem angestrebt, den  Halsbereich des Implantates zu verkürzen, ohne damit übermässigen Knochenverlust zu provozieren.  Falls dieses Konzept mit einem horizontalen Set-off kombiniert wird, ergeben sich neue Möglichkeiten. Weniger Remodellierung nach Chirurgie sowie eine verbesserte biologische Situation durch eine  konische Verbindung lassen ästhetische Vorteile erwarten. Patienten mit tiefem Risikoprofil (keine  Parodontitisanamnese, Nichtraucher, gute Mundhygiene) angewendet werden.

Osteoporose und orale Implantologie
Stellt die Osteoporose und deren Therapie mit Bisphosphonaten ein Risiko in der Implantologie dar? Diese Frage beantwortete PD Dr. Michael Bornstein, ZMK der Universität Bern.

Die Osteoporose ist kein deutlicher Risikofaktor bei der Implantatherapie, weder kurzfristig für die Osseointegration noch langfristig für das Überleben der inserierten Implantate. Als Therapie der Osteoporose werden neben Kalzium- und Vitamin D-Präparaten, zur Verminderung des Frakturrisikos, Bisphosphonate verschrieben. Drei verschiedene Bisphosphonate werden dabei typischerweise empfohlen: Alendronat, Risedronat und Ibandronsäure. Entscheidend dabei ist die Darreichungsform. Bei intravenöser Gabe ist das Risiko einer Bisphosphonat-induzierten Osteonekrose hoch. Für oral verabreichte Bisphosphonate ist dies noch nicht klar nachgewiesen. Es gibt aber Berichte über Kieferknochennekrosen bei chronischer oraler Bisphosphonatgabe nach oralchirurgischen Eingriffen. Die Fachinformationen der Medikamente enthalten entsprechende Hinweise für den Arzt und Patient. PD Dr. Michael Bornstein verstand es, den Wissensstand der Implantologie und der Bisphosphonat-induzierten Kiefernekrose aufzuzeigen und den Zuhörerinnen einige Tipps für den Praxisalltag zu geben.

Cornelia Jäggi (v.l.n.r.), seit Jahren verantwortlich für die Kongress- und Ausstellungsorganisation, Brigitte Schoeneich, Zentralpräsidentin, und Manuela Lo Bue, neugewählte Vizepräsidentin und zukünftig für das Vorstandsressort Bildung zuständig. Mechanische und technische Risikofaktoren
Nach Prof. Dr. Urs Brägger, ZMK Universität Bern, muss die Dentalhygienikerin neben dem Wissen über biologische Abläufe in den Geweben auch Grundkenntnisse über die Auswirkungen von technischen, mechanischen Komplikationen und Misserfolgen haben.

Um die Daten zu Überlebens- und Komplikationsraten mit verschiedenen Rekonstruktionsarten auf Zähnen und Implantaten zu korrelieren, wurden Übersichtsarbeiten erstellt. Mit statistischen Methoden aus der Epidemiologie kann z.B. die auf fünf Jahre hochgerechnete Komplikationsrate pro 100 Rekonstruktionen gleicher Bauweise ausgerechnet werden. Diese Werte dienen als Vergleichsbasis. Prof. Dr. Urs Brägger zeigte Beispiele, wie sich diese Probleme an verschiedenen Interfaces auswirken und was zu tun ist, um die Situation zu bereinigen.

Als Ursachen von Schädigungen der Implantatkomponenten und der vom Zahntechniker hergestellten Rekonstruktion wurden 10 Risikofaktoren identifiziert, welche in klinischen Studien über vier oder mehr Jahre getestet worden waren. Daraus lässt sich ableiten, was in der Planung und Ausführung der Rekonstruktion zu vermeiden ist und welche Konstellationen die geringsten Komplikationsraten aufweisen.

Den zweiten Kongresstag, der von Vreni Steinegger-Schatz moderiert wurde, startete OA Dr. Clemens Walter, Klinik für Parodontologie, Endodontologie, Kariologie, UZM Basel, mit zwei praxisnahen Referaten zu den Themen:

Der Biofilm: was ist das eigentlich – warum muss ich das wissen?
Der Biofilm ist eine „organisierte“ mikrobielle Ansammlung auf einer feuchten Oberfläche. Diese vielschichtige Struktur schützt die Bakterien vor dem „Zugriff“ des wirtseigenen Immunsystems und auch vor anti-mikrobiellen Agentien. Die orale Mikroflora besteht vermutlich aus über 700 verschiedenen Arten. Darüber hinaus existieren in einem Biofilm unterschiedliche Kompartimente, die sich hinsichtlich pH-Wert, Nährstoffangebot, Populationsdichte oder Temperatur unterscheiden können.

Nach der Theorie kam Dr. Walter auf die Praxis zu sprechen. Bis heute gibt es zur mechanischen Zerstörung des oralen Biofilms keine wissenschaftlich fundierten Alternativen. Der Referent verglich Handinstrumente, Laser, Schall und Ultraschall miteinander. Vorteil der maschinellen Instrumentierung ist der Zeitgewinn. Entscheidend ist: Gründlich und sorgfältig zu arbeiten und nicht zu überinstrumentieren.

Primäres Ziel parodontal-therapeutischer Massnahmen ist zunächst eine individuelle Mundhygieneinstruktion und eine perfekte supragingivale Biofilmkontrolle sowie deren Erhaltung. Nach der systematischen, subgingivalen Instrumentierung der erkrankten Parodontien, sollte darüber hinaus eine regelmässige mechanische Zerstörung des subgingivalen Biofilms erfolgen. Diese Kombination wird als der „Goldstandard“ der Parodontalbehandlung angesehen. Der Recall ist die personalisierte Parodontaltherapie. Bei einigen seltenen Krankheitsbildern, wie einer aggressiven Parodontitis, sollte die mechanische Biofilmzerstörung durch eine adjuvante antimikrobielle Therapie ergänzt werden. Bei konsequenter Anwendung kann auch hier die parodontale Gesundheit erreicht und über Jahrzehnte gehalten werden.

Minimalinvasives Biofilmmanagement – eine Utopie?
Dr. Walter zeigte anhand einiger Beispiele, dass dies möglich ist. Zur Entfernung eines supra- oder subgingivalen Biofilms und/oder zum „Scaling and Root Planing“ der erkrankten Parodontien gibt es die bewährten und einige neuentwickelte Instrumente. Bei der initialen Instrumentierung steht neben der Biofilmzerstörung, die Etablierung einer biokompatiblen, das heisst: glatten, harten und dekontaminierten Wurzeloberfläche im Vordergrund.

Indiziert sind Handinstrumente wie Gracey Küretten und Ultraschallansätze mit diamantierten Spitzen. Bei der Behandlung kann es jedoch zu unerwünschten Wirkungen kommen. So wird die Instrumentierung der erkrankten Parodontien von den Patienten oft als unangenehm empfunden. Als Folge der Therapie entstehen zudem gingivale Rezessionen, die ästhetische Beeinträchtigungen und empfindliche Zahnhälse nach sich ziehen können. Eine jahrelange Bearbeitung der Wurzeloberfläche führt darüber hinaus zu einem sichtbaren Abtrag von Zahnhartsubstanz, mitunter entstehen sogar „taillierte“, bruchgefährdete Zähne.

Über 1.000 DHs kamen zu ihrem Kongress. Blick in den vollbesetzten Saal des Palais de Beaulieu in Lausanne. Während der initialen subgingivalen Instrumentierung sollten sämtliche Konkremente und Zahnstein weitestgehend entfernt worden sein. In der unterstützenden parodontalen Therapie (UPT) steht bei vielen Parodontien daher „nur noch“ die Biofilmzerstörung im Vordergrund. Demzufolge sollte in der UPT minimalinvasiven und patientenfreundlichen Verfahren des Biofilmmanagements der Vorzug gegeben werden.

In den letzten Jahren richtete sich das wissenschaftliche Interesse auf die Entwicklung von Pulver-Wasserstrahl-Geräten für die supra- und subgingivale Anwendung. Ein kürzlich vorgestelltes Pulver auf Glycinbasis erlaubt bei einer sehr kleinen Körnergrösse nun auch die subgingivale Instrumentierung ohne Schädigung des Wurzelzements oder der Gingiva. Nachgewiesen wurde die wirksame Biofilmentfernung bis zu einer Taschentiefe von 4–5 Millimetern. Je nach Indikation und gewünschter oder zulässiger Abrasivität kann heute zwischen verschiedenen im Pulver enthaltenen Partikelgrössen gewählt werden. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen zudem, dass die niedrig abrasiven Pulverwasserstrahlgemische eine patientenfreundliche Alternative für die UPT darstellen können. Kontraindiziert ist die Behandlung allerdings bei Asthma und Lungenerkrankungen.

Neues Ehrenmitglied
Die langjährige Vizepräsidentin Christa Haubensak-Elsässer wurde für ihre unermüdliche und erfolgreiche Verbandsarbeit, vor allem in der Fortbildung, mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet (s. Beitrag auf der Titelseite dieser Ausgabe). Zur Nachfolgerin in diesem Amt wurde Manuela Lo Bue, gewählt.

Kongresstermine 2010
Der DH-Kongress 2010 findet am 19. und 20. November 2010 in Basel statt.
Infos: www.dentalhygienists.ch

Die Präsidentin des Internationalen Verbandes der Dentalhygienikerinnen, Marjolijn Hovius, lud die Schweizer Dentalhygienikerinnen zum „18th International Symposium on Dental Hygiene“ vom 1. bis 3. Juli 2010 nach Glasgow (Schottland) ein. Das Thema: „Oral Health – New Concepts for the new Millennium: New technology for preventing and treating oral diseases, including alternative treatments.“
Infos: www.ifdh.org

 

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