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Weichgewebe im Fokus

Weichgewebesymposium der Fortbildung Zürichsee Anfang November in Luzern.
Lothar Frank

Lothar Frank

Mi. 14 Dezember 2011

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Das Weichgewebesymposium der Forbildung Zürichsee bot einen Überblick zur "Pink Esthetic". Der Titel mag für manchen merkwürdig klingen, hat man sich in der Implantologie doch nun Jahrzente eher mit Osseointegration beschäftigt als mit Weichgeweben. Das Symposium wurde von Workshops begleitet.

Dem umgebenden Weichgewebe wurde eher eine zweitrangige oder zumindest weniger wichtige Bedeutung beigemessen. Doch schon darin liegt ein Beweggrund, sich nun genauer mit dem Weichgewebe zu befassen und nachzuholen, was für das Hartgewebe, bzw. dessen Erhalt schon eher klar ist.

Den Knochen stets im Blick

Grössen wie u.a. Dennis Tarnow haben Grundlagen erarbeitet und Regeln formuliert, was die Insertion von Implantaten im Knochen betrifft. Die Einhaltung dieser Regeln erleichtert uns den Alltag in der Implantologie. Darüber hinaus haben wir gelernt, dass nach in Funktion stellen der Implantate ein Remodelling des Knochens stattfindet. Das individuelle Ausmass von Remodelling zu beurteilen oder gegen einen Implantationsfehler oder eine Periimplantitis abzugrenzen, ist jedoch nicht so einfach, wird aber stets mit Aspekten der Weichgewebe beurteilt. Denn nach wie vor sind das Sondieren und „bleeding on probing (BOP)“ neben dem Röntgenbild die Mittel der Diagnostik. Dies arbeitete PD Dr. Patrick R. Schmidlin ZZM Zürich in seinem Vortrag zu dieser Thematik klar heraus. Ebenso, dass für eine sinnvolle Diagnostik ein Ausgangsröntgenbild nach erfolgter Belastung der Implantate unverzichtbar ist, denn es dient später als Referenz zur Beurteilung späterer Gegebenheiten. Zur Therapie entzündlicher Prozesse am Implantat betont Schmidlin, dass nur die Mukositis nicht-chirurgisch erfolgreich therapiert werden kann, bei vorhandener Periimplantitis muss chirurgisch interveniert werden. Die knöcherne Entzündung am Implantat ist nicht reversibel. Dies konnte in einer Tierstudie aufgezeigt werden, am Zahn hingegen ist die Parodontitis jederzeit umkehrbar. Die Frage, wo resektiv und wo regenerativ vorgegangen werden soll, ist Schmidlin der Meinung, es müsse eine Implantoplastik erfolgen, wo keine Hoffnung auf Regeneration besteht und regenerativ behandelt werden, wo realistisch eine Knochenregeneration erwartet werden kann.

Leider gibt es auch keine Agentien oder Wundermittelchen, die uns und den Patienten schnelle Hilfe bieten könnten. Dieses Thema behandelte Prof. Dr. Eli Machtei aus Haifa/ Israel. Lediglich Periochip® kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% einen Attachmentgewinn von ca. 2mm erreichen, wie er mit einer eigenen Studie belegte.

Zurück zu den Weichgeweben

Doch zurück zu den Weichgeweben: Eine - wenn auch in der Literatur nicht eindeutig untermauerte - Forderung nach einem ausreichenden Mass an befestigter Gingiva um Implantate, weist ebenfalls auf ein Nachholbedürfnis von Erkenntnissen zu der Beurteilung von Weichgeweben um Implantate hin. Darüber hinaus gilt als erwiesen, dass eine Mukositis des periimplantären Weichgewebes (etwa wegen mangelhafter Pflege) eine Periimplantitis nach sich ziehen kann, wie analog beim Zahn eine Parodontitis auf dem Boden einer Gingivitis entsteht. Aber es ist nicht geklärt, wo Analogien zwischen Zähnen und Implantaten bestehen und wo nicht, wie sich der Praktiker im Zweifelsfalle zu verhalten hat.

Die Rolle der Weichgewebe um Implantate muss also zukünftig in wissenschaftlichen Studien stärker in Betracht gezogen und besser verstanden werden. Deshalb fand unter der moderierenden Leitung von PD Dr. Ronald Jung ZZM Zürich im KKL zu Luzern berechtigt ein Weichgewebesymposium statt.

Bewährte Techniken der Parodontalchirurgie

Als ersten Redner stellte Jung Prof. Massimo de Sanctis aus I-Siena vor, der das Ziel seiner PAR-Chirurgie nicht nur als ästhetisches Resultat, sondern als einen biologischen Gewinn für den Patienten sieht. Mit Prof. Givanni Zucchelli bildet De Sanctis eine Arbeitsgruppe. Folglich entsprechen seine chirurgischen Ansätze überwiegend derer, mit Prof. Zucchelli erarbeiteten Techniken der Parodontalchirurgie. Ähnliches gilt für das Referat des zweiten Redners, Prof. Anton Sculean ZMK Bern, in dem Rezessionsdeckungen bearbeitet wurden. Weitere Gemeinsamkeiten fanden sich in den schönen, präsentierten Fällen vollständiger Wiederherstellung gesunder Verhältnisse und einem klar definierten Verständnis der Geweberegeneration: Sie geht immer von einem stabilisierten Blutkoagel aus. Das heisst, jeder Aufbau – ob Hart- oder Weichgewebe – kann nur erhalten bleiben, wenn er in seiner dreidimensionalen Form geschützt und gut ernährt wird. Sicher sind dies keine neuen Weisheiten, doch es macht klar, worauf es ankommt. Die vorgestellten Operationstechniken sparen an Schnitten oder beschränken sich gar gänzlich auf Tunnelierungstechniken unter Papillenerhalt. Das heisst, im Vergleich zur Aufklappung, beispielsweise mittels Trapezlappen, wird weit weniger Blutversorgung durchtrennt. Darüber hinaus wird auch das Periost geschont und der dadurch verursachte Gewebeverlust vermieden. Muskelschichten im Vestibulum werden hingegen bewusst durchtrennt, was zusammen mit dem Splitten des Weichgewebes ein zugfreies Verschieben und Vernähen nach koronal ermöglicht. Es präsentiert sich also eine gewebeschonende und damit erfolgreichere Vorgehensweise, die das alte Motto von der „grossen Aufklappung des grossen Chirurgen“ als Anachronismus verpönt.

Prof. Dr. Thomas von Arx ZMK Bern hielt zur Anatomie und daraus abgeleiteten Schnittführungen einen hervorragenden Vortrag, gespickt mit brauchbaren Tipps für den Praktiker.

Gut geplant ist halb gewonnen

Und auch für den Aspekt von Knochenersatzmaterialien lässt sich die korrekte Anwendung mit einer Koagelstabilisierung erläutern. Beispielsweise ist BioOss® dort sinnvoll, wo es einen Defekt füllt und das Blutkoagel stabilisiert, um als Ausgangspunkt der Regeneration zu dienen. Besonderes Augenmerk im Weichgewebesymposium wurde diesbezüglich auf das Thema „socket preservation“ gelegt. Dr. Alessandro Mattiola, Wohlen referierte über dieses Thema ausschliesslich und konnte belegen, dass die nach einer Zahnextraktion resultierende Knochenresorption von ca. 50% dem Zahnarzt das Leben unnötig schwer macht. Wer allerdings schon vor der Zahnentfernung die gesamte Behandlung plant und an „ridge oder socket preservation“ denkt, kann nicht nur dem Patienten zu einem besseren Implantatlager, sondern auch sich selbst zu einem ruhigeren Schlaf verhelfen. Mattiola zeigte eine eindrucksvolle und veranschaulichende Präsentation und leitete auch einen Workshop zu dieser Thematik. Auch in diesem Zusammenhang wurde das neue Material Mucograft®, ein Weichgewebeersatzmaterial, erwähnt. Es könnte eine enorme Erleichterung darstellen, denn egal, ob eine Rezessionsdeckung, ein Alveolenverschluss nach Auffüllen mit Knochenersatzmaterial oder ein Gewebeaufbau mittels eines Bindegewebstransplantates, meistens muss dafür Gewebe aus dem Gaumen entnommen werden. Das Ersatzmaterial könnte nun nicht nur dem Operateur die Entnahme-OP des Transplantates aus dem Gaumen oder Tuber ersparen, sondern auch dem Patienten den schlimmsten Teil der Schmerzen, die derartige Operationen nach sich ziehen. Wer daran näher interessiert war, konnte sich in einem Workshop am Samstagnachmittag mit dem Material unter Anleitung von Ronald Jung näher befassen.

Gekonnt geformt

Eine gänzlich unblutige Weichgewebekonditionierung stellte Dr. Julia Wittneben, ZMK Bern vor. Mit Hilfe der provisorischen Kronen oder Brücken auf Implantaten formt sie durch gezieltes Verdrängen, bzw. Nachwachsenlassen eine perfekte Kontur des Weichgewebes. Damit diese bei der Abdrucknahme nicht verfälscht wird, individualisiert sie die Abformpfosten mit lichthärtendem Unifast, um das sonst kollabierende Gewebe zu stützen. Sie konnte perfekte Fälle vorweisen und leitete ebenfalls einen Workshop zu dieser Thematik.

Der vierte Workshop beschäftigte sich mit dem CO₂-Laser. Auch dieses Gerät lässt sich wegen der nahezu schmerzfreien Behandlung und schnelleren Heilungstendenzen als Fortschritt für Zahnärzte und ihre Patienten sehen. Schade nur, dass die Anschaffung mit finanziellem Spielraum verbunden ist.

Insgesamt konnten die Teilnehmer des Weichgewebesymposiums lehrreiche Tage verbringen und wurden vom Veranstalter für ihren guten Riecher belohnt, den sie mit dieser Wahl bewiesen.

Kontakt:

Fortbildung Zürichsee GmbH

8810 Horgen

Tel. 044 727 40 18

f.meier@zfz.ch

www.zfz.ch

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