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Praxisnahe Kinderzahnmedizin in Basel

© med. dent. Roman Wieland
Med. dent. Roman Wieland

Med. dent. Roman Wieland

So. 6 Mai 2012

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BASEL - Wie gross der Bedarf für einen Kurs ist, der die Thematik rund um die Kinderzahnmedizin vollständig abdeckt, zeigte sich kürzlich in Basel. Mehr als 120 Anmeldungen wurden für diesen zum ersten Mal stattfindenden Kurs registriert.

Praxisnahe Kinderzahnmedizin - modern, kompetent und erfolgreich

Die UZM Basel boten das komplexe Thema „Kinderzahnmedizin“ in einem kompakten Kurs. Von med. dent. Roman Wieland.

Nebst Zahnärzten waren auch Kinderärzte, Dentalhygienikerinnen, Vertreter von Volks- und Schulzahnklinik sowie die beiden Basler Kantonszahnärzte unter den Teilnehmern. Die Vorträge waren in kompakte 15 Minuten-Blöcke aufgeteilt und wurden von allen in Kinderzahn involvierten Parteien der Region Basel gemeinsam präsentiert.  

Woher kommt die Angst?

Um die Ängste eines Kindes besser zu verstehen, berichtete Dr. Carmen Adornetto, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, über die altersabhängig verschiedenen Ängste. Ein unsicheres Verhalten des Behandlers spüre das Kind und wird selber noch unsicherer. Dr. Adornetto präsentierte die verschiedenen Angstmuster mit jeweils einem Beispiel. Trennungsängste von Bezugspersonen zeigen sich auf der somatischen Ebene oft durch Beschwerden wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Erbrechen. Statistiken zeigen, dass ca. 11% aller Jugendlichen eine Angststörung durchleben. Kinderängste sind ernst zu nehmen, bevor viele unnötige Behandlungsanläufe gemacht werden, welche nur zu negativen Erlebnissen führen. Eine Überweisung an eine psychologische Stelle sollte frühzeitig stattfinden.

Hilfreiche Faktoren für eine gute Behandlung

-  guter Kontakt und Einbeziehen der Eltern

-  Informationen und Erklärungen zur Untersuchung und den Instrumenten

-  Vertrautmachen mit der Umgebung

-  Kinderfreundliche Einrichtung

-  Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung (Farben, Düfte, Musik, Zeit)

 

Der erste Zahnarztbesuch als sinnliches Erlebnis

Auf eine sinnliche Reise zum ersten Zahnarztbesuch nahm Dr. Danuta Lukaszczyk von der Schulzahnklinik Basel die Zuhörer mit. Konstanz, Routine und wenig neue Reize helfen, eine angenehme, stressfreie Umgebung zu schaffen. Wichtig sei, dass genügend Zeit zur Verarbeitung der neuen Reize gegeben wird. Dr. Lukaszczyk empfiehlt, selbst durch die Praxis zu gehen um den Ablauf vom Empfang, aufgerufen werden, gesetzt werden, usw. selbst zu erleben. Übersetzungen der Eltern in eine kindgerechte Sprach helfen wenig, weil darin Wörter wie „keine Angst”, „Spritze” oder „Bohrer” vorkommen. Falls eine Übersetzung nötig ist, dann nur wortwörtlich! Es ist alles in einfachen Sätzen anzukündigen. Für die Anästhesie empfiehlt Dr. Lukaszczyk die Hände auf den Bauch zu legen, mit der Dentalassistentin zu atmen und mit dem Zahn einzuschlafen. Auf die Frage „Wie lange dauert es noch?”, empfiehlt es sich mit „Bis es sauber ist!” zu antworten. Diese Antwort ist unverfänglich und verhindert Enttäuschungen, wenn nach dem dritten Bohren noch ein viertes Mal folgt.

Die Mutter steckt das Kind mit Karies an

Um die Karies weiter einzudämmen, zeigte Prof. Tuomas Waltimo, UZM Basel, Wege auf, wie die Übertragung von Mutans Streptokokken verhindert oder zumindest verzögert werden kann. Eine Möglichkeit ist die gute Mundhygiene und die Reduktion der Mutans Streptokokken bereits während Schwangerschaft und frühen Mutterschaft. Laut unabhängigen Studienvon 2010 ist der regelmässige Xylitolkonsum der Mutter für die Kariesprävention bei Kleinkindern von Vorteil.

Gemäss der in Baselland seit 1992 regelmässig stattfindenden Schuluntersuchung an ca. 1’200 Kindern pro Untersuchungsjahr, haben die Kariesfälle in den letzten Jahren wieder leicht zugenommen. Besonders betroffen sind ausländische Kinder mit doppelt so viel Karies wie ihre Mitschüler. Dennoch hat jeder zweite Primarschüler ein kariesfreies Milchgebiss, 90% der Erstklässler sind bleibende Zähne noch kariesfrei. Der Anteil kariesfreier Neuntklässler ist hingegen mit 40% deutlich geringer als 2006 und 2001 (49%, resp. 50%).

Wann ist der Nuggi abzugewöhnen?

Dr. Cornelia Filippi, Leiterin der Schulzahnklinik Abteilung Prophylaxe, UZM Basel, präsentierte nützliche Anleitungen für den Umgang mit Kindern. Damit sich die Zahnstellung nicht ungünstig verändert oder es zu einem Kariesausbruch kommt, empfiehlt Dr. Filippi keine Schoppenflasche mehr ab einem Alter von zwei Jahren zu geben. Der Nuggi soll bei regulärer Verzahnung mit drei Jahren abgewöhnt werden.

Welches Füllungsmaterial taugt bei Kindern?

Am besten geeignet sind dazu Compomere. Sie sind einfach anzuwenden, halten adhäsiv, ohne allzu empfindlich gegen Feuchtigkeit zu sein. Prof. Jens Fischer vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Technologie der Universität Basel begründete seine Wahl mit einer ausführlichen Darstellung der verschiedenen Materialklassen und deren chemischen Eigenschaften. Glasionomerzemente sind zwar einfach in der Anwendung, taugen aber nicht mehr als für eine provisorische Füllung bei unkooperativen Kindern.

Wie fülle ich einen Milchzahn?

Milchzähne haben einen anderen Schmelzaufbau als bleibende Zähne. Um einen guten adhäsiven Verbund zu erreichen, müssen genügend grosse Abschrägungen präpariert werden. Weil die Dentintubuli bei Milchzähnen einen grossen Durchmesser aufweisen, schreitet eine Karies sehr schnell fort und die Dentinhaftwerte von Adhäsivsystemen sind verringert. Grosse Reviews zeigen, dass durchschnittlich drei von 100 Kompomerfüllungen oder Stahlkronen herausfallen. Glasionomerfüllungen fallen fünf Mal häufiger heraus. Med. dent. Marie-Helen Pastoret, UZM Basel, zeigte viele klinische Bilder, um das Auge der Teilnehmer zu trainieren, denn oftmals sieht man Karies erst auf dem Röntgenbild.

Wurzelkanalbehandlung im Milchgebiss?

Einen Kältetest sollte man unterlassen, denn Kinder sagen vorschnell, dass sie den Kälteschmerz spüren und man vergibt sich so wertvolle Kooperation. Liegt eine offene Pulpa nach Exkavation der Karies vor, ist das korrekte Vorgehen eine Vitalamputation mit MTA-Überkappung. Eine komplette Wurzelkanalbehandlung kann nur gemacht werden, solange die Wurzeln noch nicht anresorbiert sind. Med. dent. Anne-Catherine Jaun, UZM Basel, betonte, dass an den Lückenhalter gedacht werden muss, wenn ein Milchzahn verloren geht. Besonders der 5er im Unterkiefer sei der kieferorthopädisch wichtigste Zahn.

Milchzahnunfall - und nun?

Um die optimalen Behandlungsstrategien bei Traumata zu erlernen, muss normalerweise ein einwöchiger Kurs belegt werden. Prof. Dr. Andreas Filippi und Oberarzt Dr. Gabriel Krastl, UZM Basel, versuchten, die wichtigsten Punkte in 30 Minuten darzustellen. Je früher die Verletzung geschieht, desto stärker wird der bleibende Keim verletzt. Besonders Intrusionen im Alter von null bis vier Jahren bedingen eine genaue Abklärung. Die Schäden können sehr vielfältig ausfallen, von Schmelzverfärbungen bis zum Stillstand des Wurzelwachstums. Mittels prägnanten Anleitungen und vielen klinischen Bildern zeigte Dr. Krastl die optimale Therapie. Das Ziel ist die Vermeidung weiterer negativer Auswirkungen.

Die Experten empfehlen folgendes Vorgehen bei:

…Kronenfrakturen

- Infektion der Pulpa mit adhäsiver Füllung verhindern

-  Pulpotomie bei partieller Pulpaeröffnung

…Kronen-Wurzel-Frakturen

-  Extraktion bei tiefem Frakturverlauf

…Wurzelquerfraktur

-  Beobachten, evtl. Schienung

-  Extraktion bei starker Dislokation (apikaler Teil wird der Resorption überlassen)

…Lockerung

-  keine Therapie

-  Gute Mundhygiene

…Extrusion/ Laterale Dislokation

-  Spontanreposition abwarten oder Reposition

-  Extraktion bei starker Dislokation

…Intrusion

-  Spontanreposition abwarten bei Labialverlagerung

-  Extraktion bei palatinaler Verlagerung in den Zahnkeim

Eine Verfärbung eines Milchzahnes allein ist noch keine Indikation für eine Therapie. Obwohl in fast 100% aller verfärbten Milchzähnen eine Pulpanekrose die Ursache ist, hat dies keine schädlichen Folgen. Wurde ein bleibender wurzelreifer Zahn um mehr als 1mm durch ein Trauma verschoben, so bedingt dies immer eine Wurzelkanalbehandlung. Die Wurzelkanalbehandlung soll möglichst rasch nach dem Unfall mit Ledermix begonnen werden (kein Kalziumhydroxid). Für die entscheidende korrekte Erstversorgung sollen in der Praxis folgende Materialen vorhanden sein: Zahnrettungsbox, Nahtmaterial, erhärtendes Kalziumhydroxidpräparat, flexible Schiene, vereinfachtes self-etch-Adhäsiv und fliessfähiges Komposit.

Optimale Kooperation zwischen Öffentlichen Zahnkliniken, Kinderspital und Universität

Patienten mit speziellen Bedürfnissen sind in Basel durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen gut aufgehoben. Med. dent. Anne-Catherine Jaun berichtete über die Behandlung von schwierigen Fällen, welche oftmals unter Einfluss von Lachgas behandelt werden können. Lachgas lindert die Angst, erzeugt gewisse Schmerzfreiheit, lässt die Kinder die Behandlung vergessen, mindert den Würgereflex bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Schutzreflexe. Meist wird Lachgas nur für den Moment der Injektion des Anästhetikums verwendet. Um in der Privatpraxis Lachgas anwenden zu können, ist ein Kurs zu belegen. Weitere Information sind bei der Schweizer Vereinigung für Kinderzahnmedizin unter www.kinderzahn.ch erhältlich.

Wird trotzdem eine Überweisung an das Universitätskinderspital nötig, läuft die Überweisung gemäss Ingo Ziswiler, Schulzahnklinik Basel, folgendermassen ab:

1.  Das UKBB behandelt Kinder aus den Kantonen Basel Land und Stadt, aus anderen Kantonen leider nicht, ausgenommen natürlich Unfälle oder Notfälle

2.  Es muss eine Überweisung vorliegen (Grund, genauer Befund, Röntgenbilder und Angaben zur begonnenen Prophylaxe)

3.  Überweisung per Post/Fax an: Schulzahnklinik Basel-Stadt, Christine Bir, St. Alban Vorstadt 12, 4010 Basel, Fax: +41 61 284 84 89

Behandlungsempfehlungen und Planungsunterlagen für eine Überweisung sind unter www.kantonszahnaerzte.ch erhältlich.

Nach einer Überweisung werden Eltern und Kind in die Schulzahnklinik aufgeboten für eine erneute Untersuchung und Einschätzung der Mitarbeit. Danach werden alle diagnostischen Unterlagen und der Kostenvoranschlag erstellt. Die Eltern erhalten ausführliche Informationen über die geplante Behandlung und die Prophylaxe wird eingeleitet. Nach dem Einverständnis folgt die eigentliche Behandlung unter Vollnarkose. Im Anschluss übernimmt die Schulzahnklinik die Nachsorge und Sicherstellung der Prophylaxe. Sollten die Prophylaxebemühungen von den Eltern nicht unterstützt werden, können Reduktionen geltend gemacht werden und die Eltern müssen mehr bezahlen.

Prof. Franz Frei von der Abteilung Anästhesie des UKBB referierte anschliessend noch über den konkreten Ablauf der Vollnarkose - vom Eintritt, über die Planung der Nüchternzeit, der Prämedikation mit Midazolam, der eigentlichen Narkose, bis zur Ausleitung. Das neu erbaute Universitätskinderspital beider Basel ist optimal für die Bedürfnisse der kleinen Patienten ausgelegt. Sogar an ein komplett eingerichtetes Zahnarzt-Zimmer ist vorhanden.

Weitere Informationen:

http://pzmom-zahnmed.unibas.ch unter dem Menüpunkt „Fortbildung“.

Kontakt

Institut für Präventivzahnmedizin und Orale Mikrobiologie

Universitätskliniken für Zahnmedizin

Hebelstrasse 3

CH-4056 Basel

Anita Wälti

Tel.: +41 61 267 2600

Fax: +41 61 267 26 58

anita.waelti@unibas.ch

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