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Interview: „Zuerst muss ich eine Bindung schaffen, dann kann ich den Zahnstein entfernen“

Judith Weiss auf dem 41. Jahreskongress Swiss Dental Hygienists in Genf. © Marc Chalupsky
Dental Tribune International

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Mi. 14 März 2018

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WEGGIS – Seit 1988 arbeitet Judith Weiss als Dentalhygienikerin (DH). In diesen 30 Jahren erlebte sie eine Revolution in der Prophylaxe: Interdentalbürsten anstatt Zahnseide für die Primärprophylaxe! Weiche Zahnbürsten anstatt harte Borsten, damit man sich keine Schäden zufügt. Regelmässige Zahnarztbesuche inklusive Zahnreinigung anstatt schmerzhafter Notfälle.

Heute weiss ihr ganzes Praxisteam: Die individuell trainierte orale Prophylaxe des Patienten braucht ständige Motivation und ist der Grundstein für die orale Gesundheit. Im Interview erklärt uns Judith, wie und warum sie ihre eigene Mundhygiene angepasst hat und wie sie dies mit ihren Patienten tut.

Auf der ganzen Welt nehmen Dentalprofis an Seminaren teil, wo sie die individuell trainierte orale Prophylaxe (iTOP) erleben können. Du bist als iTOP-Instruktorin aktiv, lebst das Prinzip des „touch2teach“: Du musst etwas selbst erleben und trainieren, um es zu verstehen und selbst perfekt zu können. Warum bist du von dieser Philosophie so begeistert?

Mit iTOP und „touch2teach“ (t2t) besitze ich das Wissen und Können, um Kollegen zu motivieren und zu instruieren. Das Gleiche gilt für die Familie, Freunde und Patienten. Ich vermeide es, Dinge aufzuzwingen, sondern bemühe mich immer in verständlicher Weise, will einfach erklären und so zum Üben motivieren. Mit iTOP habe ich ein perfektes und funktionierendes System für die Mundgesundheit an der Hand.

„touch2teach“ ist einzigartig. Die Teilnehmer erleben Mundhygiene hautnah.

Stell dir vor, du bekommst vom Zahnarzt eine Schachtel Zahnseide und gehst nach Hause. Weisst du, wie du sie benutzen sollst? Kennst du deren traumatische Potenz? Und wie ist es mit der Akzeptanz? Magst du sie überhaupt? Du musst sie selber ausprobieren und ein Gespür für die Technik mit allen Schwierigkeiten entwickeln. Und nicht zuletzt: Wie sieht es mit der Effektivität der Seide aus?

Bei Interdentalbürsten sind sowohl die Akzeptanz und die Effektivität hoch. Wenn man die perfekte Grösse und Technik besitzt, sind sie absolut atraumatisch. Natürlich braucht man Trainings, um es zu erlernen, das geht nicht in einer Stunde. Du musst fühlen und üben, wie die Technik geht, wie es im Front- und Seitenzahnbereich funktioniert. Man kann etwas erst dann weitergeben, wenn man es selbst erlernt hat. Oder denkst du, ein Autofahrlehrer könnte Fahrstunden geben, ohne dass er selber fahren kann?

Die Arbeit ist für viele DH oft frustrierend, da sie immer wieder vor der gleichen Menge Zahnstein und Entzündungen stehen, Jahr für Jahr. Das zu ändern, hat mich „t2t“ gelehrt – die Lösung heisst: Selber machen und sich nicht scheuen, stundenlang, ja tagelang zu üben, um perfekt zu sein. Wir müssen Zeit in die Instruktion investieren. Wenn ich dem Patienten eine Interdentalbürste empfehle, muss ich es ihm erklären und mit ihm üben, damit er es zu Hause auch kann. Wichtig ist nicht nur, dass der Patient ein-, zwei- oder dreimal im Jahr zur Dentalhygiene kommt, sondern was er in der Zwischenzeit, also an den anderen 363 Tagen zu Hause macht. iTOP mit dem „t2t“ motiviert mich grenzenlos.

Wie kann man die Patienten motivieren, diese Interdentalbürsten auch anzuwenden?

Die Akzeptanz der Interdentalbürsten ist hoch, weil der Erfolg schnell eintritt. Ich denke, die eigene Überzeugung und Erfahrung zählt, um meine Patienten und auch Kollegen zu motivieren. Ich spreche viel über mich selbst, über meine eigenen Schwierigkeiten. Vieles, was ich vor 30 Jahren gelernt habe, hat sich in der Zwischenzeit verändert. Jeder von uns bildet sich regelmässig in vielem weiter, doch beim Zähnereinigen fragen wir nicht, ob die Technik und die Hilfsmittel für mich adäquat sind. Mehrmals täglich reinigen viele ihre Zähne, aber denken gar nicht darüber nach. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dies bei meinen Patienten zu ändern.

Wie hast du die Mundhygiene vor 30 Jahren erlernt?

Damals empfahl man uns mittelharte Zahnbürsten und Zahnseide. Interdentalbürsten wurden nur bei Leuten mit offenen Interdentalräumen empfohlen, denn sonst waren sie fürs Zahnfleisch sehr traumatisch. Interdentalbürsten für die Primärprophylaxe gab es damals noch nicht. Zum Glück hat sich dies geändert. Die feinen CPS Prime eignen sich wunderbar für jeden mit geschlossenen Zahnzwischenräumen. Demgegenüber stehen die CPS Perio, sie eignen sich für offene Interdentalräume.

Welche Fehler hast du gemacht? Was dachtest du, wusstest du schon?

Ich habe eine zu harte Zahnbürste benutzt, welche eine zu hohe Abrasion hat, und so habe ich mir unwissentlich Schaden zugefügt! Auch mit der Zahnseide ging ich zu traumatisch um. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, habe es ja so gelernt und immer gedacht, ich hätte eine perfekte Mundhygiene. Obwohl man etwas schon kann, heisst das noch lange nicht, dass man es nicht noch verbessern kann, wie z.B. im Sport. Denken wir an Roger Federer: Er ist so erfolgreich, weil er stetig übt, so kann er sein hohes Niveau behalten. Bei der Mundhygiene ist es nicht anders – ich muss üben, um auf einem hohen Niveau zu bleiben, denn ich weiss: „Ein sauberer Zahn wird nicht krank“ und somit das Zahnfleisch rundherum auch nicht.

Als du zum ersten Mal die CPS Prime benutzt hast, was dachtest du?

Es handelte sich um eine Produktpräsentation, dabei hat man nicht über die Technik gesprochen und diese auch nicht gezeigt. Ich kannte deren Vorteil nicht und dachte, die CPS sind nichts für mich. Auch der Draht störte mich. Als ich dann am ersten iTOP Seminar teilnahm, übten wir die korrekte Technik mit der idealen Grösse. Das war peinlich, denn mein Zahnfleisch blutete. Als ich im Einzeltraining die CPS Prime selbst spürte, änderte sich meine Meinung schlagartig. Das „touch2teach“ führte bei mir zu einem enormen Denkanstoss.

Mit welchen Patienten arbeitest du in deiner Praxis?

Dies variiert wie in jeder anderen Praxis. Ich habe sowohl Patienten ohne Zahn- und Zahnfleischprobleme als auch sehr schwere Fälle. Vor zwei Wochen hatte ich z.B. einen Patienten mit extrem viel Zahnstein. Er war mehrere Jahre nicht mehr in der Dentalhygiene. Bei so einem Patienten ist es mir sehr wichtig, dass er eine Behandlung bekommt, die ihn zum Wiederkommen motiviert. In der ersten Sitzung strebe ich das komplette Entfernen des Zahnsteins nicht an, das wäre vielleicht auch zu schmerzhaft. Meine Hauptaufgabe ist es vielmehr, ihn zu fesseln und zu motivieren, damit er seine tägliche Mundpflege ändert. Wichtig ist mir, eine Bindung zu schaffen, indem ich ihm Wissen vermittle. Den Zahnstein kann ich dann immer noch entfernen. Der Patient soll möglichst schmerzfrei und mit einem guten Gefühl die Praxis verlassen, nicht nur mit sauberen Zähnen. Viele Patienten bedanken sich für meine Tipps und Tricks. Ich will zusammen mit dem Patienten den Erfolg erreichen. Daran habe ich grossen Anteil. Wenn ich Hilfsmittel empfehle, die der Patient nicht benutzt, habe ich versagt. Akzeptanz ist das Wichtigste.

Wie viel Zeit nimmst du dir für die Mundhygieneinstruktion?

Beim Patienten mit viel Zahnstein und Zahnfleischentzündung nehme ich mir viel Zeit. Hier fange ich bei der Basis an, rede über das kranke Zahnfleisch, dass es nicht normal ist, wenn es blutet. Ich spreche über die Wichtigkeit der richtigen Hilfsmittel. Dazu ist das direkte Üben im Mund „t2t“ essenziell, nur so kann der Patient profitieren – ich bin sein Coach, wie z.B. im Sport – gebe ihm Instruktionen und Ratschläge oder führe seine Hand, damit er erlebt, wie sich eine perfekte Mundhygiene anfühlt. Mit vielen Fragen erfahre ich seine Gewohnheiten und kann so individuell auf ihn eingehen. Manchmal arbeite und spreche ich gleichzeitig, um möglichst viel Wissen zu vermitteln. Einige Patienten wollen alles wissen, andere Patienten hören gar nicht zu und möchten einfach nur ihre Zähne gereinigt bekommen. Das ist nicht immer einfach, es bleibt eine Gratwanderung. iTOP ist nicht für jeden – jedoch für diejenigen, die eine gute Mundgesundheit anstreben, ist es eine Lösung.

Welche Aufgabe hat die DH bei der Mundpflegeinstruktion?

Die DH sollte dem Patienten vermitteln, dass man ihm eine lebenslange Zahnerhaltung ermöglichen möchte. Dies kann die DH mit der individuell trainierten oralen Prophylaxe. Natürlich brauche ich die Compliance des Patienten, seine Mitarbeit und Unterstützung. Mein Ziel ist es, dass er mundgesund ist. Dazu kann ich ihm effektive und schonungsvolle Hilfsmittel empfehlen, die der Patient zudem akzeptiert. Dies sind eine ultrasofte Zahnbürste als auch richtig kalibrierte Interdentalbürsten und meistens auch eine Singlebürste.

Vielen Dank für das Interview.

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