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FMH und FMCH: Taskforce «Ambulante Pauschalen»

Eine Pauschalisierung von homogenen und gut abgrenzbaren ärztliche Leistungen ist sinnvoll. © Andrey Popov – stock.adobe.com
FMH Swiss Medical Association

FMH Swiss Medical Association

Mi. 26 April 2023

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BERN – Die FMH anerkennt und betont noch einmal, dass für homogene und gut abgrenzbare ärztliche Leistungen eine Pauschalisierung sinnvoll und nötig ist, insbesondere, da das Gesetz seit dem 1. Januar 2022 auch zwingend Pauschalen vorschreibt.

Die solutions tarifaires suisse SA hat Ende 2022 eine neue Version 0.3 der ambulanten Pauschalen auf ihrer Webseite veröffentlicht. Anfang Februar hat die sts SA ein Konsultationsverfahren zu dieser Version des Pauschalenkatalogs eröffnet. Die Konsultation dauerte bis Ende März 2023. Da weder die FMH noch die Fachgesellschaften direkt an der Entwicklung beteiligt sind – und auch nicht mitwirken konnten – war diesem Konsultationsverfahren hohe Priorität beizumessen. So konnten auch die ärztlich-medizinischen Anliegen und Voraussetzungen für sachgerechte und praktikable ambulante Pauschalen einfliessen.

Die FMH hat mit der Unterstützung der FMCH eine Taskforce «Ambulante Pauschalen» zusammengestellt. Aufgabe dieser Taskforce, in der alle Fachgesellschaften vertreten sind, ist es, die gemeinsame Strategie festzulegen sowie den Informationsfluss und die Koordination des weiteren Vorgehens zu gewährleisten. In den letzten Wochen haben die Expertinnen und Experten der FMH gemeinsam mit den Delegierten der Fachgesellschaften die vorhandenen ambulanten Pauschalen pro Fachgebiet differenziert analysiert, plausibilisiert und jeweils eine spezifische Stellungnahme zuhanden der sts SA verfasst. Ebenso hat die FMH eine ausführliche und umfassende Stellungnahme aus der Optik von übergeordneten Aspekten und Themen zu den ambulanten Pauschalen verfasst, der anlässlich einer Taskforce-Sitzung gemeinsam zugestimmt wurde und die dem Zentralvorstand der FMH ebenfalls zur Genehmigung vorgelegt wurde. Auch diese Stellungnahme hat die FMH fristgerecht zuhanden der sts SA eingereicht.

Stellungnahme der FMH zu ambulanten Pauschalen

Aus Sicht der Ärzteschaft können Pauschalen dort zum Einsatz kommen, wo ein Leistungspaket schweizweit standardisiert beziehungsweise gleichbleibend erbracht wird, sinnvoll und klar abgegrenzt werden kann und wo der Zeitbedarf für die Leistungserbringung eine geringe Streuung (hohe Homogenität) aufweist. Zudem sollten die Leistungen häufig erbracht werden, damit für die Kalkulation genügend robuste Daten verfügbar sind. Dies ist aus unserer Sicht beispielsweise im Operationsbereich sowie bei klar definierten und abgrenzbaren Eingriffen und Prozeduren der Fall. In der Version 0.3 fehlt ein Konzept zur Verhandlung der Preise (Baserates) und die Definition, von wem und auf welcher Kostenbasis diese verhandelt werden sollen. Das ist aber entscheidend, damit die Tarifierung (Struktur und Preis) KVG-konform, sachgerecht und betriebswirtschaftlich für alle die Pauschalen anwendenden Leistungserbringer sein kann. Die FMH ist bereit, das jetzt vorliegende Pauschalensystem zusammen mit den Tarifpartnern und den Fachgesellschaften weiter zu verbessern.

Für die FMH stehen dabei folgende Hauptpunkte im Fokus:

  • Fehlender Einbezug der Fachgesellschaften: Bei den ambulanten Pauschalen handelt es sich um ein datenbasiertes System. Da jedoch die Datengrundlage unvollständig ist (Daten aus der freien Praxis fehlen komplett), ist eine Plausibilisierung durch die Fachgesellschaften notwendig. Insbesondere bezüglich der Frage, welche Behandlungen sich für eine medizinisch sachgerechte Pauschalisierung eignen (z. B. aufgrund Häufigkeit, Homogenität etc.). Damit ist der medizinische Input zwingend und notwendig.
  • Mangelnde Datengrundlage: Daten der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte fehlen; in die Kostenmodelle der ambulanten Pauschalen sind, soweit die zur Verfügung stehenden Informationen eine Einschätzung hierzu zulassen, ausschliesslich REKOLE-Daten von 27 Spitälern eingeflossen. Selbst bei den Spitälern wird die Datenlage als zu dürftig beurteilt; im Vergleich zur grossen Anzahl an Patientenkontakten im ambulanten Bereich, ist die Zahl an administrativen Fällen, die in die Kalkulationen eingeflossen sind, eher gering. Ebenso ist die Anzahl der Datensätze pro Fallgruppe teilweise sehr gering, was die Korrektheit der Berechnungen infrage stellt. Inwieweit die REKOLE-Daten im ambulanten Bereich tatsächlich so gut abgrenzbar sind, um als Grundlage für ambulante Pauschalen eingesetzt werden zu können, ist immer noch offen.
  • Fehlender Datenspiegel: Da eine Pauschale häufig auch pathologische und radiologische Anteile sowie Anästhesie, Labor, Verbrauchsmaterial und Arzneimittel umfasst, ist es unabdingbar, die entsprechenden Anteile zu kennen. Diesen Kriterien wird der jetzige Datenspiegel aber nicht gerecht.
  • Kostenfolgeabschätzung und Monitoring: Nach Einschätzung der FMH fehlt nach wie vor ein griffiges Kostenneutralitätskonzept: Da auch Verbrauchsmaterial, Arzneimittel und Labor in die Pauschaltarife einfliessen, müssen die entsprechenden Volumen im Monitoring zur kostenneutralen Überführung berücksichtigt werden. Zugleich ist davon auszugehen, dass die Kosten für die Pflege aufgrund der Pflege- initiative steigen werden. Wenn in den Pauschalen nun auch pflegerische Leistungen berücksichtigt werden, darf der zu erwartende Volumenanstieg nicht zulasten der andern Leistungserbringer gehen. Aus Sicht der FMH kann die Kostenneutralität zudem nur unter Einbezug der Struktur- und Preiskomponente gewährleistet werden. Zur Preiskomponente (Baserate) wird in den der FMH vorliegenden Unterlagen nichts festgehalten. Es handelt sich demnach um kein vollständiges und umfassendes Kostenneutralitätskonzept, wie es für TARDOC vorhanden ist. Ebenso liegt keine Kostenfolgeabschätzung vor, die aufzeigen würde, wie sich die konkreten Preise auf eine bestimmte Behandlung auswirken und wie diese im Vergleich zum TARMED beziehungsweise TARDOC ausfallen. Insbesondere sind auch die Auswirkungen auf die Kindermedizin aufzuzeigen. Insgesamt kann damit nicht beurteilt werden, ob die auf REKOLE-Daten beruhenden Pauschalen nicht zu einem Kostenschub führen werden.
  • Fehlendes Konzept zur zukünftigen Verhandlung der Baserate: Um abschätzen zu können, wie sich die ambulanten Pauschalen auf die niedergelassene Ärzteschaft aber auch auf die einzelnen Facharztdisziplinen auswirken werden, bildet neben dem Kostengewicht der Pauschale auch die kalkulatorische Baserate eine zentrale Grösse. Dazu, wie die Baserate zukünftig festgelegt werden soll, fehlt ein Konzept.
  • Fehlende Konzepte zur Bewahrung der medizinischen Qualität: Zur Sicherung der Qualität sollte die Vergütung der ambulanten Pauschalen – wie das bei TARDOC auch der Fall ist – von der notwendigen Aus‑, Weiter- oder Fortbildung eines Leistungserbringers abhängig gemacht werden (qualitative Dignitäten). Die FMH hält es für absolut notwendig, pro Pauschale die erforderlichen qualitativen Dignitäten zu hinterlegen.
  • Mangelnde Abbildung der Kinder- und Jugendmedizin: Im aktuellen Katalog ist bei sieben Pauschalen (von 483) das Alter der Patientin beziehungsweise des Patienten ein Kostentrenner. Es ist zu befürchten, dass durch die geringe Anzahl an spezifischen Kinder-Pauschalen insbesondere Kinder- und Jugendmediziner sowie Kinderspitäler übermässig durch die Einführung von Pauschalen bestraft werden. Die FMH fordert die solutions tarifaires suisses SA auf, diese Befürchtungen mit geeigneten Auswertungen und Analysen zu widerlegen und aufzuzeigen, dass die durch ihr homogenes, tendenziell teureres Patientenkollektiv belasteten Leistungserbringer im Bereich der Kindermedizin nicht zu stark unter der Pauschalierung von Leistungen leiden und die bisherigen sieben, das Alter betreffende Kostentrenner ausreichend sind.

Die FMH anerkennt die grossen Fortschritte, die gemacht wurden sowie die Wichtigkeit einer teilweisen Pauschalisierung von ambulanten ärztlichen Leistungen. Abschliessend muss die FMH aber festhalten, dass das Pauschalensystem in der Version 0.3 aus den oben genannten Gründen noch wenig ausgereift ist. Insgesamt ist die Version 0.3 für ambulanten Pauschalen klar überladen. Die aufgeführten Feststellungen sowie die negativen Anreize sprechen dafür, sich bei den ambulanten Pauschalen, zumindest in einem ersten Schritt, nur auf die Leistungen der Liste AVOS zu konzentrieren.

Wie geht es nun weiter?

Die sts SA wird nun auf Basis der eingegangenen Stellungnahmen eine Einreichungsversion 1.0 des Pauschalensystems erarbeiten. Der Entscheid, was aus der Vernehmlassung in die Version 1.0 der ambulanten Pauschalen einfliesst, obliegt jedoch der sts SA. Diese Arbeiten sollen bis Ende Juni 2023 abgeschlossen sein, damit im Anschluss die jeweiligen Gremien der Tarifpartner darüber befinden können. Bei der FMH ist dies die Delegiertenversammlung im September 2023. Die FMH wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, der vereinbarten Prozesse sowie der anstehenden Arbeiten in der OAAT AG dafür einsetzen, dass TARDOC und ein für die praktische Einführung geeignetes Set von ambulanten Pauschalen zur Genehmigung beim Bundesrat eingereicht werden und das ambulante Tarifsystem in der Folge schrittweise unter dem Dach der OAAT AG weiterentwickelt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist auch die engagierte Mitarbeit der FMH und der Fachgesellschaften im Rahmen der abgelaufenen intensiven Vernehmlassungsphase zum ambulanten Pauschalensystem in der Version 0.3 zu verstehen.

Finale TARDOC-Version steht

Die Tarifpartner der ats-tms AG haben zur Behebung der materiellen Mängel von TARDOC gemäss Bundesratsentscheid vom 3. Juni 2022 Konzepte erarbeitet. Diese halten detailliert fest, wie die Mängel in den Jahren nach der Inkraftsetzung von TARDOC korrigiert werden können. Der TARDOC ist damit nun gemäss Bundesratsschreiben vom 3. Juni 2022 materiell genehmigungsfähig. Konkret geht es dabei um folgende Konzepte:

  • Konzept Arbeitszeit / Referenzeinkommen
  • Konzept Revision Kostenmodelle und SUK-Satz
  • Konzept Revision Tarifwirksamkeitsindex
  • Konzept Erhebung Minutagen
  • Konzept langfristiges Monitoring (ohne Korrekturfolgen)

Parallel haben curafutura und FMH in den letzten Monaten Verhandlungen zur Anpassung des bestehenden Kostenneutralitätskonzeptes geführt. Das Grundprinzip wurde dabei belassen und es wurden nur Anpassungen bezogen auf die bundesrätlichen Vorgaben vorgenommen.

Offensichtliche Fehler (redaktionelle Anpassungen) in TARDOC wurden zudem noch korrigiert und bei wenigen Tarifpositionen Anpassungen immer in Rück- und Absprache mit den betroffenen Fachgesellschaften vorgenommen (z. B. bei der Urologie und Ophthalmologie).

Die TARDOC-Tarifpartner haben den TARDOC 1.3.1 Anfang Februar 2023 der OAAT AG zur Kenntnisnahme eingereicht, so dass nun alle Tarifpartner (santésuisse und H+) über alle relevanten Unterlagen zu der neuen Version verfügen. Damit sind die Arbeiten zu TARDOC abgeschlossen und der TARDOC ist bereit für eine erneute Einreichung zur Genehmigung beim Bundesrat. Diese soll gemäss Vereinbarung im Herbst 2023 durch alle Tarifpartner erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen die erarbeiteten Konzepte und mögliche Differenzen mit der Genehmigungsbehörde in einem Dialogverfahren mit dem BAG diskutiert werden.

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